Revision eingelegt (BFH I R 60/23)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerungsrecht für Einkünfte eines beim Staatsorchester angestellten Musikers nach dem DBA Lux 2012. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VI R 25/23)
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anwendungsbereich des Art. 18 Abs. 3 DBA Lux 2012 ist bei Lohneinkünften eines bei einem Staatsorchester beschäftigten Musikers eröffnet, da das Staatsorchester trotz der verfolgten kulturellen Zwecke nachhaltig wirtschaftlich tätig wird.
2. Der Anwendungsbereich des Art. 16 Abs. 1 DBA Lux 2012 erstreckt sich auch auf Einkünfte eines unselbständig tätigen, nicht reisenden Musikers eines Staatsorchesters.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1; DBA LUX 2012 Art. 14 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1, 3, Art. 18 Abs. 1, 3, Art. 22 Abs. 1b; OECD-MA Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3
Tatbestand
Die verheirateten, im Inland wohnhaften Kläger erzielen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Luxemburg. Im Streitjahr 2015 gaben sie in Deutschland keine Steuererklärung ab.
Der Kläger ist seit … 1998 als Musiker bei dem staatlichen Orchestre Philharmonique du Luxembourg (nachfolgend: OPL) festangestellt (vgl. Bescheinigung vom 04.01.2023). Sein Arbeitgeber, das Établissement Public "Salle de concerts …" (nachfolgend: EP, vgl. Lohnbescheinigung), behält von seinem Arbeitslohn Lohnsteuer ein und führt diese an die luxemburgische Steuerverwaltung ab.
Mit Schreiben vom 14.12.2022 forderte der Beklagte die Kläger zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung für die Jahre 2015 bis 2021 auf. Auf Nachfrage der Kläger teilte der Beklagte mit, dass das Besteuerungsrecht gemäß Art. 16 Abs. 1 DBA Lux 2012 Deutschland zustünde und gemäß Art. 22 Abs. 1b) DBA Lux 2012 die Anrechnungsmethode gelte.
Der Kläger verwies darauf, dass er kein freischaffender, sondern angestellter Musiker sei und damit mangels eigenschöpferischer Tätigkeit Art. 16 Abs. 1 DBA Lux 2012 nicht greife. Er beantragte, die Abgabefrist bis Ende Januar 2023 zu verlängern. Der Beklagte kam dem nach. Im Hinblick auf die drohende Festsetzungsverjährung erließ er aber am 23.12.2022 einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO stehenden Einkommensteuerbescheid für 2015, in dem er u.a. Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. … EUR berücksichtigte.
Gegen den Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 23.12.2022 legten die Kläger Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, es müsse Art. 16 Abs. 3 DBA Lux 2012 zur Anwendung kommen, da die Einkünfte des Klägers als Künstler ganz überwiegend aus öffentlichen Mitteln des anderen Staates als gemeinnützig anerkannter Einrichtung finanziert worden seien. In diesem Fall könnten die Einkünfte nur in dem anderen Vertragsstaat versteuert werden. Wie dem Memorial vom 28.12.2011 zu entnehmen sei, sei das Philharmonische Orchester mit der Organisation des Theaterhauses Philharmonie fusioniert. Der Arbeitgeber sei von allen staatlichen und kommunalen Steuern befreit, außer von Lohnsteuer und Umsatzsteuer bzw. Steuern, wenn gewerbliche Einkünfte vorlägen. Es handele sich um eine staatliche Einrichtung. Zudem legte der Kläger eine Bescheinigung des OPL vom 04.01.2023 mit Angaben zu seiner Beschäftigung in den Jahren 2015 bis 2021 vor. Der Beklagte führte hierzu aus, die Ausnahmeregelung im Art. 16 Abs. 3 DBA Lux 2012 greife vorliegend mangels entsprechender Finanzierung des Aufenthaltes nicht.
Mit Schriftsatz vom 19.01.2023 legten die Kläger eine weitere Bescheinigung des OPL vom 16.01.2023 mit Angaben zur öffentlichen Finanzierung des EP und Gehaltszahlungen unter Lohnsteuereinbehalt bei den Orchestermitgliedern, ihre luxemburgische Steuererklärung für 2015 und den luxemburgischen Steuerbescheid für 2015 vor.
Unter dem 03.02.2023 erging wegen der vom Kläger beantragten Anrechnung der luxemburgischen Steuer ein geänderter Steuerbescheid für 2015.
Unter dem 22.03.2023 wurde der Einkommensteuerbescheid für 2015 aufgrund der eingereichten Einkommensteuererklärung vom 27.02.2023 erneut geändert und der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
Zur Begründung ihres am 26.01.2023 bei Gericht eingegangenen Antrags auf Aussetzung der Vollziehung (AdV, 1 V …) trugen die Kläger vor, Art. 16 DBA Lux 2012 sei nicht einschlägig. Verfolge man die Kommentierung in Debatin/Wassermeyer zu Artikel 17 Musterabkommen Rn. 1, gehe der Sinn und Zweck davon aus, dass der Künstler um den Globus reise und hohe Einkünfte erziele. Dies führe nach dem Sinn des Artikels zu dem praktischen Problem, wie eine umfassende Besteuerung der Einkünfte sichergestellt werden könne. Der Kläger arbeite aber bei einem festen Arbeitgeber, der für die in Luxemburg leistende Tätigkeit Lohnsteuer einbehalte. Der Sinn des Artikels gehe jedoch eher von kurzfristigen Tätigkeiten (Einzelkonzerten) aus und nicht von Tätigkeiten von Mitgliedern eines festen örtlichen Orchesters. Es würde ein Ungleichgewicht gegenüber den normalen Grenzgängern im Sinne des Artikels 14 entstehen. Nach der Kommentierung in Wassermeyer zu DBA Lux durch...