Revision eingelegt (BFH VI R 21/24)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnungsmethode für Einkünfte eines beim Staatsorchester angestellten Musikers nach dem DBA Luxemburg 2012
Leitsatz (amtlich)
Die der Berufsgruppe "Musiker / Künstler" eingeräumte abkommensrechtliche Sonderstellung stellt einen sachlichen Grund für die Verständigung der Vertragsstaaten auf die Anrechnungsmethode dar.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1; DBA LUX 2012 Art. 14 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1, 3, Art. 18 Abs. 1, 3, Art. 22 Abs. 1b; OECD-MA Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3
Tatbestand
Streitig ist, in welcher Höhe die luxemburgischen Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit als angestellter Orchestermusiker der inländischen Besteuerung unterliegen.
Der verheiratete, im Inland wohnhafte Kläger erzielte im Streitjahr 2021 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Luxemburg und daneben Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
Der Kläger war vom … bis zum 31.12.2021 als Musiker (…) bei dem staatlichen Orchestre Philharmonique du Luxembourg (nachfolgend: OPL) festangestellt. Sein Arbeitgeber, das Etablissement Public "Salle de concerts Grande-Duchesse Joséphine-Charlotte" (nachfolgend: EP), behält von seinem Arbeitslohn Lohnsteuer ein und führt diese an die luxemburgische Steuerverwaltung ab.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2021, mit der er eine Einzelveranlagung beantragte, erklärte der Kläger den luxemburgischen Arbeitslohn i.H.v. … EUR in voller Höhe als steuerfrei. Er gab an, von 132 Tagen nur an einem Tag außerhalb von Luxemburg tätig gewesen zu sein (Bl. 1a ff. hinter Fach "2021" ESt-Akte).
Mit Einkommensteuerbescheid vom 29.06.2023 wich der Beklagte von den Angaben ab und beließ den Arbeitslohn unter Anrechnung der luxemburgischen Lohnsteuer nur i.H.v. … EUR als steuerfrei.
Im hiergegen gerichteten Einspruch trug der Kläger im Wesentlichen vor, der Arbeitslohn sei nach Art. 18 Abs. 1 DBA Lux 2012 in voller Höhe steuerfrei. Der Arbeitslohn als Musiker würde i.S.d. Art. 18 Abs. 3 DBA Lux 2012 nicht für eine Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Geschäftstätigkeit Luxemburgs gezahlt. Unter dem Begriff "Geschäftstätigkeit" sei im abkommensrechtlichen Sinne eine auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit zu verstehen. Denn nach Art. 3 Abs. 1 f) DBA Lux 2012 beziehe sich der Ausdruck "Unternehmen" auf die Ausübung einer Geschäftstätigkeit und nach Art. 3 Abs. 1 g) DBA Lux 2012 schließe eine Geschäftstätigkeit "auch" eine selbständige Tätigkeit ein. Zur Auslegung des Begriffs "Geschäftstätigkeit" bestehe daher - entgegen der bisherigen steuerrechtlichen Literatur - kein Raum mehr für eine "Anleihe" bei § 4 KStG. Dieses Verständnis stütze sich auch auf die historische Entwicklung des Abkommensrechts. Denn der Begriff "Geschäftstätigkeit" sei die Folge des Wegfalls von Art. 14 OECD-MA 2000 aF und Art. 9 DBA Lux 1958, welche das Besteuerungsrecht für selbständige Einkünfte gesondert geregelt hätten. In Art. 18 Abs. 3 DBA Lux 2012 sei die frühere Forderung einer auf Gewinnerzielung gerichteten Tätigkeit nur entfallen, weil auch Art. 9 DBA Lux 1958 entfallen sei und selbständige Tätigkeiten nun unter dem Oberbegriff "Geschäftstätigkeit" zu erfassen seien. Weil die Tätigkeit der Philharmonie nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sei, läge keine Geschäftstätigkeit vor. Eine Geschäftstätigkeit läge auch nur vor, wenn die Tätigkeit der Philharmonie bzw. des OPL eine Geschäftstätigkeit sei und der Staat Luxemburg damit in einem Wettbewerbsverhältnis zu privaten Anbietern stehen würde. Dies sei beim Betrieb eines Staatsorchesters nicht der Fall. Ein Staatsorchester könne seinem Auftrag nach nicht in einen Wettbewerb mit privaten Anbietern gelangen und sei auch nicht zu einer wirtschaftlich orientierten Preispolitik gezwungen. Dem Sinn nach könne es auch nur ein Staatsorchester [je Staat] geben. Einen Wettbewerb für Staatsorchester gebe es nicht.
Er, der Kläger, sei kein "Musiker" i.S.d. Art. 16 DBA Lux 2012. Die Begriffe "Musiker, Künstler" i.S.d. Vorschrift seien abkommensspezifisch auszulegen. Zweck der Regelung in Art. 16 DBA Lux 2012 sei die Sicherung des Steueraufkommens bei einer typischerweise höchst mobilen, in verschiedenen Staaten und für viele Auftrag- oder Arbeitgeber tätigen Gruppe von Berufstätigen. Es komme daher nur darauf an, ob jemand zu dieser Gruppe gehöre. Mit diesen typischen Fällen einer kurzfristigen, auftrittsbezogenen Tätigkeit seien die Fälle von dauerhaft bei einem Arbeitgeber angestellten Musikern eines Orchesters nicht vergleichbar. Es habe auch kein rechtspolitisches Anliegen der Vertragsstaaten bestanden, die Doppelbesteuerung für Menschen, die ihr Einkommen durch eine Festanstellung in einem Orchester verdienten, nach Art. 16 DBA Lux 2012 zu vermeiden. Die Vertragsstaaten hätten bei dieser Regelung ausschließlich vor Augen gehabt, Besteuerungsrisiken durch eine erhöhte Mobilität zu vermeiden. Die Regelung in Art. 16 DBA Lux 2012 widerspreche andernfalls dem Grundsatz der Gleichbehandl...