Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wiedereinsetzung bei Phobie gegen Amtspost
Leitsatz (amtlich)
Leidet ein Bürger an einer krankhaften Phobie gegen amtliche Post, die es ihm unmöglich macht, diese zu öffnen, zur Kenntnis zu nehmen und darauf zu reagieren, so muss er, wenn es sich nicht um einen plötzlich eingetretenen Zustand handelt, zumindest dafür Sorge tragen, dass eine volljährige andere haushaltsangehörige Person dies erledigt; ist eine solche geeignete Person vorhanden, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumnis der Einspruchsfrist nicht gewährt werden, wenn dies unterlassen wird.
Normenkette
AO § 110
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
Die Klägerin hat u.a. die Tochter U, geboren am 18. August 1987. Laut einer Schulbescheinigung des A-Gymnasiums in T besucht U voraussichtlich bis März 2007 die Schule. Die Bestätigung stammt vom 5. Juli 2005. Mit Schreiben vom 16. Mai 2007 wurde die Klägerin aufgefordert, innerhalb der nächsten zwei Wochen Nachweise über die Fortdauer oder das Ende der Schulausbildung (z.B. aktuelle Schulbescheinigung oder Abgangszeugnis) und eine Erklärung zu den Einkünften und Bezügen betreffend U vorzulegen. Sollten Hinderungsgründe bestehen, wurde gebeten diese mitzuteilen. Ferner wurde darauf hingewiesen, wenn innerhalb der genannten Frist keine Antwort erfolge, müsse die Festsetzung des Kindergeldes für U ab September 2005 aufgehoben werden.
Da innerhalb der gesetzten Frist keine Antwort seitens der Klägerin erfolgte, wurde mit Bescheid vom 17. Juli 2007 die Kindergeldfestsetzung ab September 2005 (Vollendung des 18. Lebensjahres) aufgehoben mit der Begründung, dass trotz Aufforderung kein Nachweis über das Ende der Schulausbildung erfolgt sei. Der letzte vorliegende Nachweis über die bisherige Ausbildung sei im Monat Juli 2005 ausgestellt. Ferner wurde Kindergeld für September 2005 bis März 2007 in Höhe von 2.926,00 € zurückgefordert.
Hiergegen ist mit Schreiben vom 6. September 2007, das am 7. September 2007 bei der Beklagten eingegangen ist, Einspruch eingelegt und das Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife vom 23. März 2007 für U vorgelegt worden. Mit Schreiben vom 10. September 2007 hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Einspruch verspätet eingelegt sei. Daraufhin teilte die Klägerin mit Schreiben vom 28. September 2007 mit, dass sie sich die Tatsache, dass sie keine Nachweise vorgelegt habe, nur mit einer Phobie gegen amtliche Schreiben erklären könne. Ihr seien schon sehr viele finanzielle Nachteile dadurch entstanden, dass sie amtliche Schreiben einfach nicht geöffnet habe, sondern liegen gelassen bzw. entsorgt habe, weil sie panische Angst vor dem Inhalt dieser amtlichen Schreiben gehabt habe und auch weiterhin habe. Es würden in ihr Angstzustände ausgelöst, so dass sie für die erforderliche Erledigung keine Sorge getragen habe. Mit Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2007 wurde der Einspruch als unzulässig verworfen.
Mit der Klage trägt die Klägerin vor, dass ihr das genaue Zugangsdatum des aufhebenden Bescheides vom 17. Juli 2007 nicht bekannt sei. Sie leide unter Angstzuständen, die durch amtliche Schreiben ausgelöst würden. Um dies zu verhindern, lasse sie zugehende Post auf Wochen, ja sogar monatelang im Briefkasten. Sie habe sich wiederholt in psychologische Behandlung begeben wollen, schäme sich jedoch ihres Leidens zu sehr. Seit dem 6. September 2007 werde ihr private Unterstützung gewährt. Deshalb sei auch sofort Einspruch gegen den Bescheid vom 17. Juli 2007 eingelegt worden und auch das Zeugnis von U vorgelegt worden. Es wäre außerdem völlig sinnwidrig, Gelder zurückzufordern, die ihr zugestanden hätten.
Die Klägerin beantragt,
- den Bescheid über die Aufhebung und Rückforderung von Kindergeld vom 17. Juli 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
Zur Begründung führt sie aus, dass nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO der Bescheid vom 17. Juli 2007 am 20. Juli 2007 bekannt gegeben worden sei. Die Einspruchsfrist betrage einen Monat und habe am 20. August 2007 geendet. Der Einspruch sei aber erst am 7. September 2007 eingegangen und daher verfristet. Gründe für eine Wiedereinsetzung würden nicht vorliegen. Die von der Klägerin vorgetragene Krankheit sei nicht plötzlich eingetreten. Sie wäre in der Lage gewesen, einen Vertreter zu bestellen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die Beklagte hat zu Recht den Einspruch als unzulässig verworfen. Der Bescheid über die Aufhebung und Rückforderung von Kindergeld datiert vom 17. Juli 2007. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin mit Schreiben vom 6. September 2007, das am 7. September 2007 bei der Beklagten eingegangen ist, Einspruch eingelegt. Gemäß § 355 Abs. 1 AO ist der Einspruch binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes einzulegen. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben am dritten Tag nach Au...