In der Praxis kann die Aberkennung eines Organschaftsverhältnisses für ein einzelnes Jahr oft gravierende Rechtsfolge auslösen. Dies deshalb, weil gem. R 14.5 Abs. 8 Nr. 2 S. 2 KStR das Tatbestandsmerkmal der "fünfjährigen Mindestvertragslaufzeit" bei Wiedereintritt in die Organschaft neu geprüft werden muss, d.h. mit begehrtem neuerlichen Beginn der Organschaft eine neue fünfjährige Mindestvertragslaufzeit beginnt. Beachten Sie: Dies ist in R 14.5 Abs. 8 Nr. 2 S. 2 KStR zumindest für die Fälle klar geregelt, in denen die Nichtdurchführung des GAV ursächlich für die Nichterkennung der Organschaft ist.
Fehlende finanzielle Eingliederung: Nicht ausdrücklich in den KStR ist der Fall geregelt, dass die Organschaft
- in einem einzelnen Jahr wegen fehlender finanzieller Eingliederung nicht anzuerkennen ist,
- der GAV aber gleichwohl wirksam ist und von den Vertragspartnern auch ordnungsgemäß durchgeführt wird.
Hierzu hat der BFH mit Urteil v. 10.5.2017 – I R 51/15 entschieden, dass es in derartigen Fällen keiner Anpassung der Mindestvertragslaufzeit bedarf. Im Urteilsfall ging es um eine aufgrund der seinerzeitigen gesetzlichen Neuregelung nicht anerkennungsfähige Mehrmütterorganschaft. Infolge einer Anwachsung auf ein herrschendes Unternehmen ging der tatsächlich durchgeführte GAV auf dieses Unternehmen über, in das die Organgesellschaft nunmehr auch i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG finanziell eingegliedert war.
Nichtanerkennung der Organschaft wegen fehlender finanzieller Eingliederung = keine Sperre für die Folgejahre: Der BFH ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die vorige Nichtanerkennung der Organschaft wegen fehlender finanzieller Eingliederung die Organschaft für die Folgejahre nicht sperrt. Ein derartiger zeitlicher Blickwinkel, wonach die zeitlichen Mindestvertragslaufzeiten fortlaufend erfüllt sein müssen, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Der BFH zieht hier eine Parallele zur Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit einer Organträger-Personengesellschaft, die im Jahr der Begründung der Organschaft auch nicht ganzjährig bestanden haben muss. Mithin ist in derartigen Fällen die Unterbrechung der Organschaft möglich, sofern der wirksame – eine fünfjährige Mindestvertragslaufzeit aufweisende – GAV tatsächlich durchgeführt wird. Diese Problematik ist auch im BFH-Fall I R 19/15 zum Tragen gekommen, da hier die Organschaft im Erstjahr wegen der verneinten finanziellen Eingliederung vom BFH nicht anerkannt worden ist.
Nichtanerkennung wegen Durchführungsmängeln: Dem BFH-Urteil kann aber nicht entnommen werden, dass auch bei Nichtanerkennung wegen Durchführungsmängeln keine neue Prüfung der Fünfjahresfrist entsprechend der o.a. Verwaltungsauffassung vonnöten ist. Hier ist die Rechtslage eine andere, weil § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 KStG fordert, dass der GAV auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden muss. Er ist bei zwischenzeitlicher Nichtdurchführung quasi verbrannt, so dass es einer Anpassung der Mindestvertragslaufzeit bedarf.
Beraterhinweis Aus der unkommentierten Veröffentlichung des BFH-Urteils im Bundessteuerblatt kann m.E. der Rückschluss gezogen werden, dass die Finanzverwaltung die Urteilsgrundsätze über den entschiedenen Einzelfall hinaus anwenden wird.