Leitsatz
1. Sagt eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Alters- und/oder eine Invaliditätsversorgung zu, so ist diese Zusage im Gesellschaftsverhältnis veranlasst, wenn die Versorgungsverpflichtung im Zeitpunkt der Zusage für die Gesellschaft nicht finanzierbar ist. In diesem Fall stellen die Zuführungen zu der zu bildenden Pensionsrückstellung vGA dar.
2. Eine Versorgungszusage ist nicht finanzierbar, wenn die Passivierung des Barwerts der Pensionsverpflichtung zu einer Überschuldung der Gesellschaft führen würde.
3. Auch bei der Beurteilung der Finanzierbarkeit einer im Invaliditätsfall eintretenden Versorgungsverpflichtung ist nur deren im Zusagezeitpunkt gegebener versicherungsmathematischer Barwert (§ 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG) anzusetzen. Es ist nicht von demjenigen Wert auszugehen, der sich bei einem Eintritt des Versorgungsfalls ergeben würde (gegen Tz. 2.2 des BMF-Schreibens vom 14.5.1999, BStBl I 1999, 512).
4. Die Finanzierbarkeit einer Zusage, die sowohl eine Altersversorgung als auch vorzeitige Versorgungsfälle abdeckt, ist hinsichtlich der einzelnen Risiken jeweils gesondert zu prüfen.
Normenkette
§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG , § 6a Abs. 1 und 3 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine 1981 gegründete GmbH, sagte 1991 ihrem beherrschenden Gesellschafter und Geschäftsführer eine Alters-, Hinterbliebenen- und Invaliditätsversorgung zu und schloss hierfür eine Rückdeckungsversicherung ab, allerdings erst im Jahr 1993. In den beiden Streitjahren 1991 und 1992 fehlte eine solche, was das FA zu der Annahme verleitete, die Pensionszusage habe von der Klägerin für den Fall des plötzlichen Eintritts des Versorgungsfalls nicht finanziert werden können. Denn die Bilanz zum 31.12.1991 wies unter Berücksichtigung der Pensionsrückstellung einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag und die Bilanz zum 31.12.1992 einen nur geringen Jahresüberschuss aus.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Es müsse den in den Praxis-Hinweisen angesprochenen Anwartschaftsbarwert ermitteln und sodann prüfen, ob die Pensionszusage finanzierbar sei. Das sei aus den nachfolgenden Erwägungen erforderlich. Zugleich könne der Finanzverwaltung in mehrfacher Hinsicht nicht gefolgt werden.
Das betreffe zum einen deren Annahme, die Finanzierbarkeit habe sich an dem plötzlichen Eintritt des Versorgungsfalls zu orientieren, was insbesondere dazu führe, dass die GmbH das sog. Bilanzsprungrisiko im Fall einer Invalidität des Gesellschafter-Geschäftsführers erfüllen müsse. Ein ordentlicher Geschäftsleiter würde regelmäßig indes keineswegs an einen solchen plötzlichen Invaliditätsfall in seine Überlegungen einbeziehen. Er würde sich vielmehr an dem versicherungsmathematisch berechneten Risiko für den Eintritt von Tod und Invalidität ausrichten und könne sich deswegen mit dem Anwartschaftsbarwert begnügen. Das trage der wirtschaftlichen Belastung des Unternehmens bei objektiver Sicht der Dinge hinreichend Rechnung.
Zum anderen komme – ebenfalls entgegen der Finanzverwaltung – eine auch nur teilweise finanzierbare Pensionszusage in Betracht, z.B. nur der Altersversorgung. Falls der Barwert dieser eingeschränkten Verpflichtung durch das Vermögen der GmbH abgedeckt werde, könne der betreffende Teil steuerlich deswegen anerkannt werden; lediglich der nicht finanzierbare Teil zöge eine vGA nach sich. Für eine Einheitsbetrachtung bestehe kein Grund.
Hinweis
Die Frage der Finanzierbarkeit der Pensionszusage einer Kapitalgesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer ist derzeit das Thema der Stunde: Zuerst hatte die Finanzverwaltung in Gestalt des BMF-Schreibens vom 14.5.1999 (BStBl I 1999, 512) die Eckpunkte und den Rahmen für die Verwaltungspraxis hierzu festgelegt, sodann hatten die Betriebsprüfer alle Hände voll zu tun, anhand dieser Eckpunkte Pensionszusagen zu beanstanden und als vGA zu qualifizieren, und schließlich gab (und gibt) es jede Menge einschlägiger FG-Urteile, die jetzt auch den BFH erreicht haben.
Soeben erst hat der BFH sich umfänglich damit auseinandergesetzt, wie es sich mit der zunächst unproblematischen Zusage verhält, wenn die zusagende Kapitalgesellschaft in wirtschaftliche Nöte gerät (vgl. Urteil vom 8.11.2000, I R 70/99, BFH-PR 2001, 182). Nunmehr liegt die dort (unter 4. der Praxis-Hinweise) bereits angekündigte (erste) Grundentscheidung dazu vor, nach welchen Maßstäben sich die Finanzierbarkeit bemisst.
Ausschlaggebend ist hiernach nicht der bilanziell ausgewiesene Teilwert gem. § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG, es ist vielmehr der Zusagebarwert, dies allerdings nicht in Gestalt desjenigen Werts, den ein Lebensversicherer im Fall einer etwaigen Rückdeckung ansetzen würde, sondern in Gestalt des sog. Anwartschaftsbarwerts, wie er in § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG bestimmt wird. Dieser Wert enthält die Summe aller möglichen Versorgungsleistungen, wobei diese abgezinst und die statistisch ermittelte Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme angesetzt wird...