Hermann Längle, Prof. Dr. Hagen Kobor
Rz. 50
§ 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG begünstigt die Errichtung einer Familienstiftung, sofern die Stiftung wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien im Inland errichtet ist; die Errichtung der Stiftung im Interesse nur eines einzelnen Familienmitglieds genügt. Eine Stiftung dient dann wesentlich dem Interesse einer Familie oder bestimmter Familien, wenn nach der Satzung und ggf. dem Stiftungsgeschäft ihr Wesen darin besteht, es den Familien zu ermöglichen, das Stiftungsvermögen, soweit es einer Nutzung zu privaten Zwecken zugänglich ist, zu nutzen und die Stiftungserträge an sich zu ziehen. Erfasst sind von § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG ausschließlich die Stiftungsgeschäfte des Übergangs von Vermögen auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG bzw. des Übergangs von Vermögen aufgrund eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG.
Rz. 51
§ 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG begünstigt diese Stiftungsgeschäfte, in dem nicht die für juristische Personen als Erwerber geltende Steuerklasse III zur Anwendung kommt, sondern die Steuerklasse nach dem Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zum Erblasser oder Schenker. Unter dem Begriff des Berechtigten ist jeder Bezugs- und Anfallsberechtigte zu verstehen, der – ohne einen klagbaren Anspruch haben zu müssen – nach der Satzung Vermögensvorteile aus der Stiftung erlangen kann. Nach Ansicht der FinVerw ist bei der Bestimmung der Steuerklasse auf den nach der Satzung möglichen entferntest Berechtigten abzustellen, auch wenn dieser im Zeitpunkt der Errichtung der Familienstiftung noch nicht unmittelbar bezugsberechtigt ist, sondern dies erst in der Generationenfolge wird. Die Steuerklasse des entferntest Berechtigten entscheidet auch über den Freibetrag nach § 16 ErbStG. Ausländische Familienstiftungen unterliegen nicht der Regelung des § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG, womit stets die Steuerklasse III zur Anwendung kommt. Der Ausschluss ausländischer Familienstiftungen mit Sitz in der EU ist europarechtlichen Zweifeln ausgesetzt.
Rz. 52
§ 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG gilt nach seinem eindeutigen Wortlaut nur für den Übergang von Vermögen auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG bzw. den Übergang von Vermögen aufgrund eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG. Spätere Zuwendungen vonseiten des Stifters oder dritter Personen als sog. Zustiftungen fallen nicht darunter und sind als freigebige Zuwendungen unter Lebenden i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG damit jeweils nach der Steuerklasse III zu versteuern. § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG greift lediglich ausnahmsweise, wenn sich der Stifter im Stiftungsgeschäft bereits verbindlich zu einer bestimmten späteren Zuwendung verpflichtet hat.
Rz. 53
Die Errichtung eines Familienvereins fällt wegen des eindeutigen Bezugs auf die lediglich für die Errichtung von Stiftungen geltenden Vorschriften der § 3 Abs. 2 Nr. 1 bzw. § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG nicht in den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG, womit stets die Steuerklasse III gilt. Demgegenüber gelten die Regelungen des § 15 Abs. 2 S. 2 und 3 ErbStG auch für Familienvereine, obwohl für diese Differenzierung durch den Gesetzgeber kein rechtfertigender Grund ersichtlich ist.
Rz. 54-59
einstweilen frei