Rz. 14
Zivilrechtlich kann ein jederzeitiger Widerruf der Schenkung vorbehalten werden. Praktisch bedeutsam ist das freie Widerrufsrecht vor allem bei der vorweggenommenen Erbfolge, bei der dem Schenker in besonderer Weise an einem nicht durch §§ 527, 528, 530 BGB beschränkten Widerrufsrecht gelegen sein kann.
Rz. 15
Auch für das ErbStG wird die Schenkung unter Widerrufsvorbehalt als vollwertige Schenkung unter Lebenden anerkannt; sie bringt demgemäß die Schenkungsteuer nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG zur Entstehung. Kommt es nach Entstehung der Schenkungsteuer aufgrund der Ausübung des vertraglich vorbehaltenen Widerrufsrechts zur tatsächlichen Herausgabe des Geschenks, ist § 29 Abs. 1 Nr. 1 anwendbar.
Rz. 16
Das Widerrufsrecht muss dem Schenker eingeräumt sein und von ihm ausgeübt werden. Ein dem Beschenkten vorbehaltenes und von diesem ausgeübtes Widerrufsrecht kann, weil stets freiwillige Rückschenkung, nicht die Folgen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auslösen.
Rz. 17
Ein dem § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entsprechendes Ergebnis wird auch bei einer (ggf. entsprechenden) Anwendung des § 5 Abs. 2 BewG erzielt, sofern sich der Widerrufsvorbehalt als auflösende Bedingung darstellt bzw. als solche zu qualifizieren ist.
Rz. 18
Die Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG setzt in jedem Fall voraus, dass das Rückforderungsrecht des Schenkers bereits bei Abschluss des Schenkungsvertrags vereinbart war. Bei einem erst nach Ausführung der Schenkung vereinbarten Rückforderungsrecht ist § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht erfüllt.
Rz. 19
Ein vertragliches Rückforderungsrecht kann auch in Gestalt einer – ebenfalls bei Abschluss des Schenkungsvertrags zu vereinbarenden – sog. Steuerklausel begründet werden. Durch diese soll im Regelfall eine erbschaft- und schenkungsteuerlich neutrale Rückabwicklung der Vermögensübertragung für den Fall ermöglicht werden, dass sich aus einer Zuwendung unerwartet ungünstige steuerliche Folgen – insbesondere im Fall einer sich nachteilig auswirkenden Gesetzgebung – ergeben. Doch kann neben dem Anfall von Erbschaft- oder Schenkungsteuer auch die Ertragsteuerbelastung Gegenstand einer Steuerklausel sein. Derzeit wird die Vereinbarung einer Steuerklausel insbesondere im Hinblick auf die noch nicht klar absehbaren steuergesetzlichen Folgerungen aus dem BVerfG-Urteil vom 17.12.2014, insbesondere im Hinblick auf die künftige Verschonung übergehenden Betriebsvermögens, zu erwägen sein.
Rz. 19a
Bei der Gestaltung und Ausübung des Widerrufsrechts sind stets die ertragsteuerlichen Folgerungen zu bedenken. Ein Widerrufs- oder Rücktrittsrecht hindert die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 1 AO) am Schenkungsgegenstand zum Beschenkten grundsätzlich nicht; durch eine Steuerklausel wird die Zurechnung von Einkünften nicht rückwirkend beseitigt.
Besondere Vorsicht bei Verwendung einer Steuerklausel ist geboten, sofern Gegenstand der Zuwendung ein Mitunternehmeranteil ist. Denn nach ertragsteuerlichen Grundsätzen kann bei einer Schenkung unter freiem Widerrufsvorbehalt der Beschenkte nicht als Mitunternehmer angesehen werden.
Zu nachteiligen Steuerfolgen führte die Ausübung eines vertraglichen Rückforderungsrechts im Zusammenhang mit der Übergangsregelung des § 37 Abs. 3 i. V. m. § 13a ErbStG.