Prof. Dr. Michael Fischer
Rz. 31
Als aufschiebend bedingter Erwerb wird es auch angesehen, wenn das als Bedingung gestellte Ereignis von der freien Willensbestimmung eines Beteiligten abhängt. Damit können auch sog. Potestativbedingungen und Optionsrechte wie aufschiebende Bedingungen eingeordnet werden. Ansprüche aus beiderseits noch nicht erfüllten gegenseitigen Verträgen sind keine aufschiebend bedingten oder befristeten Forderungsrechte. Genehmigungen, die im Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht erteilt worden sind, sind nicht als aufschiebende Bedingung einzuordnen. Denn hier ist die zivilrechtliche Rückwirkung der Genehmigung erbschaftsteuerrechtlich nachzuvollziehen. Dies gilt aber nur dann, wenn sich die Genehmigung lediglich auf einen bestimmten Erwerbsgegenstand bezieht. Soweit sich die Genehmigung auf den Erwerbsgrund als solchen bezöge, steht einer Beachtlichkeit der zivilrechtlichen Rückwirkung § 38 AO entgegen. Erbrechtlich ist darauf hinzuweisen, dass eine letztwillige Zuwendung, die der Erblasser von einer aufschiebenden Bedingung abhängig gemacht hat, der Bedachte im Zweifel den Bedingungseintritt erleben muss.
Rz. 32
Abweichend vom deutschen Erbrecht kann nach ausländischem Erbrecht eine Erbeinsetzung unter aufschiebender Bedingung oder Befristung erfolgen, ohne dass für die Zeit des Schwebezustandes ein Vorerbe eintritt. Namentlich im anglo-amerikanischen Rechtskreis wird das Erbrecht nicht vom Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) bestimmt. Soweit im Falle einer gesetzlichen Erbfolge ein sog. Administrator (Nachlassverwalter) oder bei der testamentarischen Erbfolge ein sog. Executor (Testamentsvollstrecker) das Eigentum (legal title, legal ownership) an beweglichen Sachen erwirbt, ist dieser verpflichtet, die von ihm verwalteten Nachlasswerte nach dem Verteilungsbeschluss des Nachlassgerichtes an die Zuteilungsberechtigten auszukehren. Nichtsdestoweniger geht der BFH davon aus, dass die dem Verwalter als legal owner zustehende Verfügungsmacht der Annahme eines unmittelbaren mit dem Erbfall anfallenden Erwerbs des Erbbegünstigten nicht entgegensteht, und zwar selbst dann nicht, wenn sie vom Erblasser durch Testament erweitert worden ist. Es handelt sich also nicht um einen aufschiebend bedingten Erbanfall. Gleiches soll nach Ansicht des Hessischen Finanzgerichts und des BFH für einen Erbfall im Anwendungsbereich des italienischen Erbrechts gelten. Abweichend vom nationalen Recht gelangt der Erbe dabei erst durch eine konstitutive und rückwirkende Annahme der Erbschaft in seine Stellung. Das Gericht betont auch insoweit, dass die Steuerschuld grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers entsteht. Ein Hinausschieben des Steuerentstehungszeitpunkts gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG sei aufgrund der gesetzgeberischen Erwägungen nur dann einschlägig, wenn die wirtschaftliche Bereicherung zu diesem Zeitpunkt noch nicht eintritt. Dies sei aber bei der nach italienischem Recht erforderlichen Annahme anders als bei einem vom Erblasser selbst gesetzten Ereignis, dass den Erben an einer wirtschaftlichen Verwertung des Nachlasses hindert, nicht der Fall. Im Übrigen sei die Situation mit einem Erwerb nach Erbausschlagung gem. § 1953 Abs. 2 BGB vergleichbar, der ebenfalls unter § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG fällt. Mit Blick auf die Rückwirkungsfiktion auf den Todeszeitpunkt erscheint das Ergebnis zutreffend. Anders verhielt es sich bei Zwischenschaltung eines sog. Nachlasstrusts. Dieser wurde vom BFH regelmäßig als aufschiebend bedingter Erwerb eingeordnet. Seit der Sonderregelung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 ErbStG, die für Erbfälle gilt, die nach dem 1.1.1999 eingetreten sind, wird ein testamentarisch angeordneter Nachlasstrust einer letztwillig angeordneten Stiftung mittels gesetzlicher Fiktion gleichgestellt. Der Anfall an den Trust gilt als (unbedingter) Erwerb von Todes wegen und die Weiterleitung des Vermögens aus dem Trust an die endgültigen Erben stellt einen unbedingten Erwerb unter Lebenden dar. Die Einordnung als aufschiebend bedingter Erwerb von Todes wegen ist damit dogmatisch überholt.
Rz. 33
Entstehen und Fälligkeit des Vermächtnisanspruchs können abweichend vom Zeitpunkt des Erbfalls zu einem späteren Zeitpunkt hinausgeschoben werden. Wenn der Anspruch des Vermächtnisnehmers erst nach dem Erbfall, insbesondere beim Eintritt einer aufschiebenden Bedingung, entsteht, dann erfolgt nach § 2177 BGB auch der Anfall des Vermächtnisses erst mit Eintritt der Bedingung. Z. B. ist nach der (geänderten) Rspr. des BFH Gegenstand eines Übernahme- bzw. Kaufrechtsvermächtnisses eine aufschiebend bedingte Forderung. Folglich entsteht auch die Erbschaftsteuer erst zum Zeitpunkt des Bedingungseintritts. Um aufschiebend bedingte Vermächtnisse handelt es sich auch bei den sog. Bestimmungsvermächtnissen, die erst mit Eintritt der Bedingung erbschaftsteuerrechtlich entstehen. Beim sog. Zweckvermächtnis, bei dem der Erblasser nur den Zweck des Vermächtnisses (z. B. Fin...