Prof. Dr. Vassil Tcherveniachki
"Aufwendungen für die Nutzung oder im Zusammenhang mit der Übertragung von Kapitalvermögen sind insoweit nicht als Betriebsausgaben abziehbar, als die den Aufwendungen entsprechenden Erträge auf Grund einer vom deutschen Recht abweichenden steuerlichen Qualifikation oder Zurechnung des Kapitalvermögens nicht oder niedriger als bei dem deutschen Recht entsprechender Qualifikation oder Zurechnung besteuert werden."
Rz. 36
Allgemeines. § 4k Abs. 1 Satz 1 EStG setzt Art. 9 Abs. 2 Buchst. a i.V.m. Art. 2 Abs. 9 Unterabs. 1 Buchst. a ATAD um und sieht ein Abzugsverbot im Fall einer D/NI-Inkongruenz vor. Hierbei sollen insbesondere steuereffiziente hybride Strukturen im Zusammenhang mit der Nutzung und Übertragung von Kapitalvermögen verhindert werden. Die Vorschrift unterscheidet zwei Alternativen. In der ersten Alternative sollen insbesondere Fälle erfasst werden, in denen beim inländischen Steuerpflichtigen eine als Betriebsausgabe abziehbare Zinszahlung vom Staat des Zahlungsempfängers nicht als Vergütung für die Überlassung von Fremdkapital (Darlehensgewährung), sondern als Gewinnausschüttung behandelt wird, die nach Maßgabe eines dem § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG vergleichbaren Schachtelprivilegs entweder nicht oder niedriger besteuert wird, als wenn der ausländische Staat die Vergütungen wie Deutschland als Zinsen besteuern würde (abweichende steuerliche Qualifikation des Kapitalvermögens). Beispielhaft ergeben sich solche Besteuerungsinkongruenzen aus dem Einsatz von Hybriddarlehen, typisch stillen Beteiligungen, Wandelanleihen oder Genussrechten. In der zweiten Alternative sieht § 4k Abs. 1 Satz 1 EStG ein Abzugsverbot auch für den Fall vor, dass eine Besteuerungsinkongruenz aufgrund einer unterschiedlichen Zurechnung des Kapitalvermögens entsteht. Beispielhaft sollen dadurch insbesondere Wertpapierleihgeschäfte und REPO-Transaktionen erfasst werden. Somit liegen zwei Tatbestandsalternativen vor, die im Einzelfall auch kumulativ erfüllt werden können.
Rz. 37
Aufwendungen. Mangels einer gesetzlichen Definition bestimmt sich der Aufwandsbegriff nach Maßgabe des Katalogs von Kapitaleinkünften gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 und § 20 EStG, wenngleich § 20 EStG Einkünfte aus Vermögen erfasst, welches kein Kapitalvermögen i.S.d. § 4k EStG darstellen sollte (z.B. Bezüge von Stiftungen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG). Voraussetzung ist allerdings, dass dieser Aufwand auf Ebene des Gläubigers (bei Zugrundelegung deutscher Maßstäbe) zu steuerpflichtigen Kapitaleinkünften führen kann. Damit umfasst das Abzugsverbot gemäß § 4k Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen, die für die Nutzung oder im Zusammenhang mit der Übertragung von Kapitalvermögen anfallen. Dazu gehören Zinsen oder Vergütungen für Genussrechte, Wertpapierleihentgelte oder Dividendenkompensationszahlungen, aber auch Abschreibungen. Nicht erfasst werden Aufwendungen, die nicht im Zusammenhang mit Kapitalvermögen stehen (z.B. Lizenzaufwendungen).
Rz. 38
Kapitalvermögen. Terminologisch stellt Art. 2 Abs. 9 Unterabs. 1 Buchst. a ATAD auf "Finanzinstrumente" ab. Davon abweichend regelt § 4k Abs. 1 Satz 1 EStG ein Abzugsverbot für Aufwendungen im Zusammenhang mit der "Nutzung oder [...] Übertragung von Kapitalvermögen". Damit bezieht § 4k EStG nicht nur Finanzinstrumente mit ein, sondern auch Instrumente, die zu einem Fremd- oder Eigenkapitalertrag führen, der im Rahmen der Besteuerung von Schulden, Kapital oder Finanzderivaten besteuert wird. Dies steht allerdings auf einer Linie mit Art. 3 ATAD, wonach Deutschland im Falle von Besteuerungsinkongruenzen die Wirkungen der Abzugsbeschränkung auf alle Kapitalinstrumente erstrecken kann. Mangels einer gesetzlichen Definition des Kapitalvermögens i.S.d. § 4k EStG, ist – wie vorstehend dargestellt – der Katalog der Kapitaleinkünfte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 20 EStG maßgeblich. Für Krypto-Assets, Edelmetalle sowie Fremdwährungsguthaben bleibt es damit bei der Anwendung der allgemeinen Grundsätze zur Abgrenzung von privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 EStG. Im Übrigen liegt Kapitalvermögen für Zwecke des § 4k Abs. 1 EStG auch dann vor, wenn die Kapitaleinkünfte oder damit zusammenhängende Aufwendungen nach § 20 Abs. 8 EStG oder nach § 8 Abs. 2 KStG als gewerblich gelten.
Rz. 39
Abweichende steuerliche Qualifikation oder Zurechnung. § 4k Abs. 1 Satz 1 EStG setzt für das Abzugsverbot voraus, dass sich die Divergenz von Betriebsausgabenabzug und steuerlicher Erfassung der entsprechenden Erträge aufgrund einer anderen steuerlichen Qualifikation der Erträge oder einer anderen steuerlichen Zurechnung des Kapitalvermögens ergibt. Es handelt sich damit um einen Qualifikations- oder Zurechnungskonflikt. Der Tatbestand des § 4k Abs. 1 EStG ist nicht nur auf zwei beteiligte Staaten begrenzt. Auch eine abweichende Qualifikation oder Zurechnung in einem Drittstaat kann das Abzugsverbot gemäß § 4k Abs. 1 Satz 1 EStG be...