Rz. 70
Grundsätzliches. § 4j EStG enthält keine konkreten Vorgaben zur Frage der Verteilung der Beweislast. Entsprechend der allgemeinen Grundsätze gilt daher, dass die Finanzverwaltung steuerbegründende und -erhöhende, der Steuerpflichtige dagegen steuerbefreiende und -mindernde Tatsachen darzulegen und notfalls zu beweisen hat (objektive Feststellungslast). Vor diesem Hintergrund ist wie folgt zu differenzieren:
Rz. 71
Bedeutung der Mitwirkungspflicht der Beteiligten. Grundsätzlich gilt im Verwaltungsverfahren vor den Finanzbehörden gemäß § 88 Abs. 1 Satz 1 AO, dass diese den steuerrechtlich relevanten Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln haben. Eingeschränkt wird diese Pflicht der Finanzbehörde und der Finanzgerichtsbarkeit durch die Mitwirkungspflichten der am Verfahren Beteiligten. Nach § 90 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO sind die Beteiligten zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet, indem sie die besteuerungserheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben.
Rz. 72
Erweiterte Mitwirkungspflicht der Beteiligten. Bei internationalen Steuerfällen gilt die erweiterte Mitwirkungspflicht i.S.d. § 90 Abs. 2 AO. Hintergrund hierfür ist, dass die deutschen Finanzbehörden nach Maßgabe des formellen Territorialitätsprinzips völkerrechtlich grundsätzlich nicht befugt sind, hoheitliche Befugnisse außerhalb der Staatsgrenzen auszuüben. Insbesondere dürfen sie im Ausland keine Sachaufklärungsmaßnahmen treffen. Solcherart ist der inländische Lizenznehmer dazu verpflichtet, die tatsächlichen Voraussetzungen der einschlägigen ausländischen Rechtsnorm darzulegen. Dies dürfte für den inländische Lizenznehmer in Abhängigkeit vom Grad der Beteiligung am ausländischen (Lizenz-)Gläubiger, bei mehrstufigen Konzernstrukturen, regelmäßig mit erheblichen Schwierigkeiten bei der Informationsgewinnung verbunden sein. Insoweit stößt der in Kontext mit dem Mitwirkungsgebot i.S.d. § 90 Abs. 2 AO zu beachtende allgemeine Grundsatz, dass die Beweismittelbeschaffung erforderlich, möglich, zumutbar und verhältnismäßig sein muss, an seine Grenzen. Dies gilt umso mehr unter Berücksichtigung des Umstands, dass § 90 Abs. 2 AO nicht den Untersuchungsgrundsatz i.S.d. § 88 AO und die primären Ermittlungspflichten der Finanzverwaltung verdrängt. So ist es der Finanzverwaltung regelmäßig möglich, die von ihr erbetenen Informationen unter Berufung auf die zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe in Steuersachen i.S.d. § 117 Abs. 1 AO zu erlangen. Nach § 117 Abs. 1 AO kann die deutsche Finanzverwaltung zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe in Steuersachen nach Maßgabe des deutschen Rechts in Anspruch nehmen. Diese Befugnis ist in Zusammenhang mit § 92 Satz 1 AO zu sehen, wonach sich die Finanzbehörde derjenigen Beweismittel bedient, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Die Inanspruchnahme zwischenstaatlicher Amtshilfe ist ein solches Beweismittel. Für Zwecke des § 117 Abs. 1 AO bestehen verschiedene (inter-)nationale Rechtsgrundlagen. Hierbei ist zwischen innerstaatlich anwendbaren völkerrechtlichen Vereinbarungen, innerstaatlich anwendbaren Rechtsakten der Europäischen Union sowie dem EU-Amtshilfegesetz zu unterscheiden. Für den Auskunftsverkehr zwischen EU-Mitgliedsstaaten genießen grundsätzlich die unionsrechtlichen Grundlagen gegenüber den nationalen Regelungen sowie den Doppelbesteuerungsabkommen-Auskunftsklauseln Anwendungsvorrang.
Rz. 73
Besondere Aufzeichnungspflichten. Im Übrigen hat der inländische Lizenznehmer die besonderen Aufzeichnungspflichten angesichts grenzüberschreitender Geschäftsbeziehungen i.S.d. § 1 Abs. 4 AStG zu beachten. Die Aufzeichnungspflicht umfasst neben der Sachverhaltsdokumentation die Angemessenheitsdokumentation i.S.d. § 90 Abs. 3 AO.
Rz. 74
Gedanke der Beweisnähe und objektive Feststellungslast. Über den Gedanken der Beweisnähe i.S.d. § 90 Abs. 2 AO obliegt es dem Steuerpflichtigen zudem, den in seiner Sphäre im Ausland verwirklichten Sachverhalt aufzuklären und die für die Finanzbehörde sonst unerreichbaren Beweismittel selbst zu beschaffen. Der Steuerpflichtige darf die Möglichkeiten zur Beweismittelbeschaffung insoweit nicht vereiteln und muss bereits bei der Gestaltung seiner (steuer-)rechtlichen Verhältnisse Beweisvorsorge treffen. Diese Pflicht darf allerdings nicht verabsolutiert werden, sondern steht stets unter dem Vorbehalt der Möglichkeit und Zumutbarkeit. Wenn und soweit das amtswegige Ermittlungsverfahren unter Berücksichtigung der (erweiterten) Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen nicht zu einer sicheren Feststellung über das Vorliegen eines steuerrelevanten Sachverhalts führt, eine Feststellung mit reduziertem Beweismaß nicht in Betracht kommt und eine Schätzung ausscheidet, finden die Regeln der objektiven Beweislast (Feststellunglast) Anwendun...