Prof. Dr. Vassil Tcherveniachki
"Einer Person, die mit einer anderen Person durch abgestimmtes Verhalten zusammenwirkt, werden für Zwecke dieses Absatzes und der Absätze 1 bis 5 die Beteiligung, die Stimmrechte und die Gewinnbezugsrechte der anderen Person zugerechnet."
Rz. 29
Allgemeines. § 4k Abs. 6 Satz 2 EStG setzt Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 3 Buchst. b ATAD um. Demnach werden für Zwecke der Anwendung des § 4k Abs. 1 bis 5 EStG einer Person, die gemeinsam mit einer anderen Person handelt, die jeweiligen Merkmale der anderen Person zugerechnet. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen durch diese Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift Gestaltungen verhindert werden, indem Stimmrechts- oder Kapitalbeteiligungen auf verschiedene Personen verteilt werden, die einem gemeinsamen Handlungswillen unterliegen bzw. gleichgerichtete Interessen verfolgen. Damit erweitert § 4k Abs. 6 Satz 2 EStG den persönlichen Anwendungsbereich auch auf isoliert betrachtet kleinere Beteiligungen.
Rz. 30
Abgestimmtes Verhalten. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. In praktischer Hinsicht ist daher sehr problematisch, dass weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesbegründung Kriterien für das Vorliegen eines "abgestimmten Verhaltens" definieren. Kontroverse Diskussionen mit der Finanzverwaltung sind damit vorprogrammiert. Nach Art. 2 Nr. 4 Buchst. b ATAD liegt ein abgestimmtes Verhalten vor, wenn eine Person in Bezug auf die Stimmrechte oder Kapitalbeteiligung an einem Unternehmen – mithin auf Grundlage von Stimmrechtsbindungs- und/oder Konsortialverträgen (nicht aber nur einer entsprechenden Handhabung) – gemeinsam mit einer anderen Person handelt. Der Begriff "abgestimmtes Verhalten" ist ferner auch in § 7 Abs. 4 AStG i.d.F. ATADUmsG enthalten. In diesem Zusammenhang verweist die Gesetzesbegründung auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8c Abs. 1 KStG und § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG sowie auf den international verwendeten Begriff "Acting in Concert". Nach § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ist maßgeblich für das Vorliegen von "abgestimmtem Verhalten", dass die Beteiligten ihr Verhalten in Bezug auf eine Abstimmung bewusst koordinieren und gemeinsam vorgehen. Darüber hinaus kennt § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG eine Abstimmung "auf sonstige Weise". Ein "abgestimmtes Verhalten""auf sonstige Weise" kann einerseits durch Personenidentität der Leitungsorgane oder durch eine identische Anteilseignerstruktur und andererseits durch die Ausübung von Einfluss auf andere Gesellschafter erfolgen. Mithin kann bereits ein bewusst praktiziertes Zusammenwirken ausreichend sein. Mangels einer gesetzlichen Konkretisierung sollte die Annahme eines abgestimmten Verhaltens auf das Vorliegen von entsprechenden schriftlichen Vereinbarungen beschränkt werden. Ansonsten droht eine fast willkürliche Anwendung auf jedes wie auch immer geartete abgestimmte Verhalten. Wenngleich Darlegung und Beweis eines entsprechend abgestimmten Verhaltens der Finanzverwaltung obliegen, wird sich in der Praxis häufig die Frage stellen, ob der Steuerpflichtige insbesondere eine fehlende Abstimmung "auf sonstige Weise" nachweisen kann. In Betracht kommen etwa Negativbestätigungen der Beteiligten.
Rz. 31
Gleichgerichtete Interessen. Aufgrund des Verweises der Gesetzesbegründung auf § 8c Abs. 1 KStG können "gleichgerichtete Interessen" der Beteiligten zu einem abgestimmten Verhalten führen. "Gleichgerichtete Interessen" sind insbesondere dann bei einer Erwerbergruppe anzunehmen, wenn eine regelmäßige Abstimmung, die nicht vertraglicher Natur sein muss, zwischen Gruppenmitgliedern erfolgt und hierdurch ein gemeinsamer Zweck i.S.d. § 705 BGB angestrebt wird. Es bedarf hierfür einer konkreten mündlichen oder schriftlichen Vereinbarung, die auf eine Poolung der Interessen der Gesellschafter abzielt. Beispielhaft kommen Poolvereinbarungen, Syndikatsverträge, Konsortialverträge, Stimmrechtsbindungen und -vereinbarungen in Betracht.