Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
"... einer Familienstiftung, die Geschäftsleitung und Sitz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes hat (ausländische Familienstiftung), ..."
Rz. 106
Gesetzliche Zusammenhänge. Es verwirrt, dass der Begriff der "Familienstiftung" erst in Abs. 2 (vgl. Rz. 161, 164 ff.), der Begriff der "ausländischen Familienstiftung" schon vorher in Abs. 1 definiert wird. Es hätte nahegelegen, beide Begriffe in Abs. 2 gesetzlich zu definieren. Der Begriff der Familienstiftung wird in Abs. 3 um Unternehmensstiftungen gesetzlich erweitert, in Abs. 4 schließlich werden weitere KSt-subjekte der Stiftung gleichgestellt. Es fällt nicht leicht, den Leitgedanken des Gesetzgebers in dieser Regelungstechnik zu erkennen.
Rz. 107
Errichtung der Familienstiftung. § 15 Abs. 1 setzt eine errichtete Familienstiftung voraus. Die Vorschrift findet keine Anwendung, solange die Familienstiftung noch nicht errichtet ist. Dies richtet sich nach ausländischem Recht. Legt das ausländische Stiftungsstatut der behördlichen Anerkennung der Stiftung Rückwirkung bei (z.B. in Bezug auf die Rechtsfähigkeit der Stiftung oder auf den Erwerb des Grundstockvermögens), wird man dies auch für die Zurechnung nach § 15 nachvollziehen müssen, da für den Beginn der Körperschaftsteuerpflicht einer inländischen Stiftung die Rückwirkung des § 84 BGB (= § 80 Abs. 2 Satz 2 BGB i.d.F. des StiftungsRVereinhG) ebenfalls maßgeblich ist. Die Errichtung der Stiftung wird als solches von § 15 nicht tangiert. Die anlässlich der Gründung anfallenden Zuwendungen an die Familienstiftung können der deutschen ErbSt unterliegen, soweit der Stifter ein Inländer ist (§§ 1, 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG).
Rz. 108
Geschäftsleitung und Sitz außerhalb des Geltungsbereichs des AStG. Die Stiftung ist nur dann eine "ausländische", wenn sie sowohl ihre Geschäftsleitung als auch ihren Sitz außerhalb des Geltungsbereichs des AStG hat. Dieser erstreckt sich seit 1991 auf Deutschland einschließlich der neuen Bundesländer (§ 21 AStG). Es ist unschädlich, wenn Geschäftsleitung und Sitz in verschiedenen ausländischen Staaten liegen. Sitz ist der statutarische Sitz i.S.d. § 11 AO. Unter der Geschäftsleitung ist der Ort der Geschäftsleitung i.S.d. § 10 AO zu verstehen. Selbst wenn Gremiensitzungen im Ausland abgehalten werden, kann sich die geschäftliche Oberleitung (i.S.v. § 10 AO) dennoch im Inland befinden, wenn die Mitglieder der Stiftungsgremien sich im Inland aufhalten und hier untereinander zu wesentlichen Entscheidungen verständigen. Haben die Stiftungsgremien allerdings aufgrund des Zuschnitts der Stiftungstätigkeit nur wenige Geschäftsleitungsentscheidungen zu treffen, kann dies sehr wohl vollständig während der förmlichen, im Ausland abgehaltenen Gremiensitzungen erfolgen. Die beschränkte Steuerpflicht der Stiftung, also dass die ausländische Stiftung auch inländische Einkünfte erzielt, ist für die Anwendung von § 15 weder Voraussetzung noch Ausschlussgrund. Die ggf. im Inland erhobene KSt ist gem. § 15 Abs. 5 Satz 1 auf die ESt oder KSt des Zurechnungsadressaten anzurechnen (vgl. Rz. 222). Eine Stiftung, bei der sich Geschäftsleitung oder Sitz im Inland befindet, fällt nicht unter § 15. Sie ist unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG), sofern sie weiterhin KSt-subjekt ist. Dies ist nicht selbstverständlich, falls mit der Verlegung z.B. der Geschäftsleitung in das Inland ein Statutenwechsel einhergeht und nach dem dann maßgeblichen deutschen Stiftungszivilrecht die Stiftung ihre Rechtsfähigkeit verliert. Zwar kann auch eine nicht rechtsfähige Stiftung die Bedingung von § 15 Abs. 1 und 2 erfüllen. Bei einer als rechtfähig errichteten Stiftung, die kraft Statutenwechsel ihre Rechtsfähigkeit verliert, fehlt es insoweit an der wirtschaftlichen Selbständigkeit der Vermögensmasse, die in der Regel durch Übertragung des Dotationsvermögen auf einen Dritten verwirklicht wird. Das Stiftungsvermögen ist bei Verlust der Rechtsfähigkeit nach allgemeinen steuerrechtlichen Grundsätzen unmittelbar den Anfallsberechtigten zuzurechnen. In allen Fällen ist die Steuerpflicht des Stifters, ob unbeschränkt oder beschränkt einkommensteuerpflichtig, unerheblich.
Rz. 109
Diskriminierung der ausländischen Familienstiftung. In der Begrenzung von § 15 auf die Familienstiftung mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland liegt eine steuerliche Ungleichbehandlung dieser ausländischen Familienstiftungen. Zu den verfassungsrechtlichen Überlegungen vgl. Rz. 66 ff., zu EU-rechtlichen Bedenken vgl. Rz. 46 ff.
Rz. 110
frei