Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
„(10) 1 Einer ausländischen Familienstiftung werden ..., entsprechend ihrem Anteil zugerechnet, ...”
Rz. 466
Zurechnungssubjekt. Subjekt der Zurechnung ist die ausländische Familienstiftung. Wer dazu zählt, bestimmt § 15 Abs. 1–4. Das weitere Schicksal der auf diese Weise zugerechneten Vermögenswerte und Einkünfte bestimmt sich nach den für die Zurechnung der Stiftungseinkünfte zum inländischen Zurechnungsadressaten maßgeblichen Normen (§ 15 Abs. 1, 5 ff.). Dies ist, ähnlich wie bei der Zurechnung gem. Abs. 9, von besonderer Bedeutung für die Zurechnung von Einkünften zu einer ausländischen Familienstiftung, welche in den Anwendungsbereich des EU/EWR-Privilegs nach Abs. 6 fällt. In diesen Konstellationen findet zwar eine Zurechnung nach Abs. 10 zur ausländischen Familienstiftung statt, nicht aber eine weitere Zurechnung zum inländischen Zurechnungsadressaten (vgl. Rz. 422).
Rz. 467
Anteil. Die Bestimmung des Anteils des Zurechnungsadressaten auf der Rechtsfolgenseite ist eines der zentralen Probleme des § 15 Abs. 1 (vgl. Rz. 143 ff.). Der Gesetzgeber hat dennoch nicht davon Abstand genommen, diesen problematischen Begriff erneut zu verwenden. Eine gewisse Erleichterung tritt dadurch ein, dass in Abs. 10 die vorrangige Zurechnung zum Stifter fehlt. Der Familienstiftung werden somit die Einkünfte der anderen Stiftung nicht bereits deshalb in vollem Umfang zugerechnet, weil sie sie errichtet hat. Auch kann das Sonderproblem der Anteilsbestimmung bei einer Mehrheit von Stiftern (Rz. 120 bis 123) hier nicht auftreten. Auf die zu Abs. 1 angestellten Überlegungen zur Bestimmung des Anteils wird verwiesen (vgl. Rz. 143 ff.; zur Anfalls- und Bezugsberechtigung vgl. Rz. 127 ff., 138). Der Begriff des Anteils kann dann eine Einschränkung verlangen, wenn die andere ausländische Stiftung bereits selbst eine ausländische Familienstiftung i.S.v. Abs. 1 und 2 (oder als eine dieser nach Abs. 3 oder 4 gleichgestellte Stiftung) ist. Andernfalls droht eine Doppelerfassung ihrer Einkünfte bei diesem ihrem Stifter gem. § 15 Abs. 1 sowie über Abs. 10 bei dem Zurechnungsadressaten der ausländischen Familienstiftung.
Rz. 468
Wesen der Zurechnung. Das Gesetz regelt die Zurechnung von Einkünften und Vermögen nur rudimentär (zur Vermögenszurechnung Rz. 471). Ohne ausdrückliche Regelung geblieben ist neben dem Zeitpunkt, zu sich die Zurechnung vollzieht, vor allem das Wesen der Zurechnung selbst, d.h., wie die Einkünfte der anderen Stiftung (vgl. dazu Rz. 470) in die Einkünfteermittlung der Familienstiftung gem. Abs. 7 einfließen. In Bezug auf den erstgenannten Gesichtspunkt ist die Gesetzeslücke unter Rückgriff auf die zu Abs. 1, 8 angestellten Überlegungen und auf nämliche Weise zu füllen: Die Zurechnung zur Familienstiftung erfolgt mit Ablauf des Einkünfteermittlungszeitraums der anderen Stiftung (vgl. Rz. 353). Zum Wesen der Zurechnung selbst lässt sich dem Gesetz zumindest noch entnehmen, dass Einkünfte zugerechnet werden, also ein Saldo, nicht aber die Einnahmen und Aufwendungen oder der Einkünfteerzielungssachverhalt selbst. Dies entspricht jedenfalls dem hier vertretenen generellen Verständnis zur Einkünftezurechnung nach § 15 (vgl. auch Rz. 111 f.). Jenseits dessen fehlen im Gesetz explizite Aussagen zum Wesen der Zurechnung. Von Bedeutung ist dabei der Umstand, dass im Unterschied zu Abs. 8 das Gesetz die zugerechneten Einkünfte bei der Familienstiftung nicht einer bestimmten Einkunftsart zuordnet. Dies lässt sich als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine solche Zuordnung deuten, aber auch als Gesetzeslücke, die mit einer Analogie zu schließen ist. Gegen eine Analogie spricht indessen, dass die Zurechnung die persönliche Ebene der steuerlichen Zuordnung betrifft und damit nicht notwendigerweise auch eine Zuordnungsentscheidung in sachlicher Hinsicht, sprich mit Blick auf die fragliche Einkunftsart, verbunden sein muss. Dies zeigt sich etwa in § 5, deutlicher noch aber in § 14 a.F., der systematisch als eine Parallelvorschrift zu § 15 Abs. 10 verstanden werden kann. In beiden Fällen ist mit der gesetzlichen Anordnung einer Einkünftezurechnung keinerlei Modifikation mit Blick auf die Einkunftsart verbunden. Wie dort erfolgt somit auch im Anwendungsbereich des § 15 Abs. 10 die Zurechnung von Einkünften in der jeweiligen Einkunftsart, in der die andere Stiftung sie erzielt (sog. Zurechnung "tel quel", vgl. zum Begriff Rz. 342 sowie die Erläuterungen unter § 14 AStG Rz. 83). Damit steht gleichzeitig fest, dass die Zurechnung nicht wie in Abs. 8 als Gesamtsaldo, sondern als Einzelsaldo erfolgt (Rz. 347, 390). Der Familienstiftung werden pro VZ so viele Einzelsalden zugerechnet, wie Einkunftsarten verwirklicht wurden. Diese Einzelsalden stellen im Rahmen der Einkünfteermittlung der Familienstiftung (§ 15 Abs. 7 i.V.m. § 2 Abs. 2 EStG) Einkünfteerhöhungsbeträge dar, nicht lediglich Einnahmen (zu negativen Einkünfteerhöhungsbeträgen vgl. sogleich Rz. 469). Dies folgt nicht aus ein...