Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld, Gary Rüsch
a) Nicht steuerpflichtige Einkünfte
- „2. die Einkünfte in dem anderen Staat nur deshalb nicht steuerpflichtig sind, ...”
Rz. 71
Allgemeines. Mit § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG will der Gesetzgeber Unterschiede in der beschränkten zur unbeschränkten Steuerpflicht korrigieren (zum Hintergrund s. Rz. 3). Im Verhältnis zu § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG handelt es sich um eine alternative Regelung, d.h., die Rechtsfolgen von § 50d Abs. 1 EStG treten ein, sobald die Voraussetzungen einer der Tatbestandsalternativen vorliegen.
Rz. 72
Einkünfte. Mit dem Begriff der "Einkünfte" ist die Behandlung der abkommensrechtlich freizustellenden Einkünfte (ausführlich s. Rz. 46 ff.) im anderen Staat (s. Rz. 72) gemeint.
Rz. 73
In dem anderen Staat. Mit der Formulierung "in diesem Staat" bezieht sich die Anordnung auf den zu Beginn von § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG angesprochenen "anderen Staat" (s. Rz. 60). Daraus folgt, dass für die korrespondierende Besteuerung nur dieses Abkommensverhältnis maßgeblich ist, was man als "Abkommenskongruenz" bezeichnen kann. Steuerliche Auswirkungen in einem davon abweichenden Staat werden daher nicht berücksichtigt.
Rz. 74
Nicht steuerpflichtig. Zunächst ist Voraussetzung, dass die Einkünfte (s. Rz. 46 ff.) im anderen Staat (s. Rz. 72) "nicht steuerpflichtig" sind, was der Gesetzgeber unpräzise (weil keine andere Umschreibung erforderlich ist) als "Nichtbesteuerung i.S.d. Nr. 2" bezeichnet. Dabei wird aber nicht jegliche Form einer fehlende Steuerpflicht erfasst, ursächlich ("nur deshalb") muss die fehlende beschränkte Steuerpflicht sein (ausführlich s. Rz. 75). Unabhängig davon bringt das Gesetz mit der Formulierung eindeutig zum Ausdruck, dass es sich um eine abstrakte Voraussetzung handelt, nicht um eine (tatsächliche) Nichtbesteuerung. An der abstrakten Steuerpflicht fehlt es, wenn die Einkünfte nicht steuerbar sind oder aufgrund einer persönlichen oder sachlichen Steuerbefreiung nicht erfasst werden. Wenn die entsprechenden Steuerbefreiungen nur bis zu einer bestimmten Höhe zur Anwendung kommen, ändert das nichts an der abstrakten Voraussetzung, in der Folge auch die Höhe der Einkünfte – als konkreter Umstand – zu berücksichtigen sind. Ist der Steuerpflichtige im Ausland also nicht beschränkt steuerpflichtig, überschreitet mit seinen Einkünften aber den dortigen Grundfreibeitrag (als "sachliche" Steuerbefreiung) nicht, ergibt sich kein Unterschied zur unbeschränkten Steuerpflicht, weshalb die Vorschrift nicht anzuwenden ist. Aus dem Vorgenannten folgt auch, dass andere Umstände des Besteuerungsverfahrens (z.B. im Hinblick auf die Steuerdeklaration, Steuerfestsetzung, Steuerschuld oder -höhe, die Steuererhebung oder Steuerentrichtung) irrelevant sind, weil dadurch die abstrakte Steuerpflicht der Einkünfte nicht geändert wird. Dadurch kann die korrespondierende Besteuerung an sich – das liegt auf der Hand – nur eingeschränkt verwirklicht werden, weil die Vorschrift eben nicht auf die Korrektur einer tatsächlichen Nichtbesteuerung gerichtet ist, sondern auf die Korrektur einer abstrakten Nichtbesteuerung. Der Referentenentwurf des JStG 2007 stellte zwar noch auf eine fehlende Besteuerung ab, was aber nicht in den Regierungsentwurf übernommen wurde.
Rz. 75
"Mittelbar" nicht steuerpflichtig. Aus dem Gesetzestext ergibt sich nicht, wie eine fehlende Steuerpflicht in "mittelbarer" Hinsicht zu beurteilen ist. So wäre z.B. denkbar, dass die Einkünfte im anderen Staat grundsätzlich steuerpflichtig sind, aber eine zunächst einbehaltene Steuer wieder erstattet wird (z.B. von Amts wegen oder auf Antrag). Dann besteht nach abstrakter Rechtslage ein Anspruch auf die Steuerbefreiung und keine "definitive" Steuerpflicht, was auch der BFH bestätigt hat. Dass die Steuererstattung womöglich nicht beansprucht wird, ist für § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG – der nicht auf die tatsächliche Besteuerungssituation abstellt (s. Rz. 73) – unbeachtlich. Teleologisch überzeugt das nicht und war auch nicht im Sinne des Gesetzgebers, der davon ausgegangen ist, dass es zu keiner Doppelbesteuerung kommen kann, weshalb der Tatbestand in derartigen Fällen teleologisch zu reduzieren ist. Noch besser wäre, wenn man dem Steuerpflichtigen im Wege einer allgemeinen Ausnahmeregelung die Möglichkeit einräumen würde, einen Nachweis darüber zu führen, falls es aus anderweitigen – vom eigentlichen Tatbestand nicht erfassten – Umständen letztlich nicht zu einer Nichtbesteuerung gekommen ist. Als weiterer Fall denkbar ist, dass für jeden Euro an Einnahmen eine fiktive Ausgabe von einem Euro gewährt wird, in der Folge es nach der abstrakten Rechtslage im Ergebnis auch hier zu einer sachlichen Steuerbefreiung kommt. Die beiden Alternativen unterscheiden sich darin, über welchen Zusammenhang die fehlende Steuerpflicht zustande kommt. Im ersten Fall ändert sich die Steuerpflicht letztlich "unmittelbar", im zweiten Fall ...