Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 309
Überblick. Der Geschäftsbetrieb betrifft die betriebliche Organisation der Körperschaft, bestehend aus den für die Ausübung der Wirtschaftstätigkeit vorgehaltenen personellen und sachlichen Ressourcen (vgl. Rz. 310). Eine Körperschaft kann mehrere Geschäftszwecke und dementsprechend auch mehrere Geschäftsbetriebe haben (vgl. Rz. 313). Dann ist eine nach Geschäftszwecken segmentierende Prüfung vorzunehmen (vgl. Rz. 313). Grundsätzlich unerheblich ist, wo der Geschäftsbetrieb sich befindet (z.B. auch in einer ausländischen Betriebsstätte vgl. Rz. 314 ff.).
Rz. 310
Geschäftsbetrieb. Die Körperschaft muss zunächst überhaupt dem Grunde nach einen Geschäftsbetrieb unterhalten (s. aber zum Outsourcing Rz. 379 ff.). Liegt nämlich schon kein Geschäftsbetrieb vor, ist der Missbrauch noch in höherem Maße indiziert, als wenn ein bestehender Geschäftsbetrieb nur nicht angemessen eingerichtet ist. Der Begriff des Geschäftsbetriebs ist dabei normspezifisch im Lichte der EuGH-Rechtsprechung zum Missbrauchsbegriff unionsrechtskonform zu bestimmen. Für die Begriffsbestimmung ist weder eine Anknüpfung an den Gewerbebetriebsbegriff des § 15 Abs. 2 EStG noch an den Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nach § 14 AO (oder § 4 KStG) sachgerecht. Beide Normen verfolgen einen anderen Zweck als § 50d Abs. 3 EStG, der originär der Missbrauchsvermeidung dient und nicht etwa der Abgrenzung einer steuerpflichtigen von der nichtsteuerpflichtigen Tätigkeit oder der Einordung von Einkünften unter eine bestimmte Einkünftekategorie. Auch eine Anknüpfung an den Begriff des Unternehmens i.S.d. Umsatzsteuerrechts ist – wie der EuGH bereits im Zusammenhang mit § 50d Abs. 3 EStG zutreffend hervorgehoben hat – nicht zweckmäßig. Vielmehr ist nach der maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH erforderlich, dass das rechtliche Bestehen der Körperschaft auch mit wirtschaftlicher Realität einhergeht, die Gründung der Körperschaft also in der Sprache des EuGH keine rein formale oder "künstliche" Gestaltung ohne jede wirtschaftliche oder geschäftliche Rechtfertigung darstellt (vgl. Vor § 50d Abs. 3 EStG Rz. 30 f.). Ob eine solche reale (also nicht: fiktive, vorgeschobene) wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH insbesondere anhand des (real bzw. physisch) "greifbaren Vorhandenseins" der Körperschaft in Form von Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen zu ermitteln. Darauf stellt auch die FinVerw (bislang) grundsätzlich ab, erhöhte jedoch die Anforderungen insoweit, als sie ständig verfügbaresqualifiziertes Personal, Geschäftsräume und technische Kommunikationsmittel forderte. Die Körperschaft muss also ihre rechtliche Inkorporation und ihre satzungsmäßigen Zwecke auch tatsächlich "leben", ein objektiver Beobachter muss ihr Bestehen – unabhängig von ihrer rechtlichen Gründung – tatsächlich erkennen können. Aus dem Zweck des Substanztests ist also zu folgern, dass ein Geschäftsbetrieb sich als eine Gesamtheit personeller und sachlicher Ressourcen definiert (s. zu den einzelnen Bestandteilen Rz. 325 ff.), die durch das Führen von Handelsbüchern und Bilanzen nach außen hin erkennbar wird. Der Geschäftsbetrieb ist also physisch zu verstehen und betrifft die tatsächlich vorgehaltene Organisation des Betriebs. Er ist hingegen nicht tätigkeitsbezogen zu verstehen, das Vorliegen eines Geschäftsbetriebs hängt also nicht von der Art einer Tätigkeit (z.B. Gewerblichkeit) ab (vgl. Rz. 312). Fehlt jegliche personelle und sachliche Ressource (was praktisch ein seltener Ausnahmefall sein dürfte), ist ein Missbrauch schon (in gesteigertem Maße) indiziert. Dann ist das Führen eines Gegenbeweises zur Widerlegung der Missbrauchsvermutung erforderlich. Aber auch das Vorliegen personeller und sachlicher Ressourcen reicht für sich gesehen noch nicht aus, um dem Missbrauchsvorwurf zu entgehen. Vielmehr kann nach § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Var. 3 EStG auch eine mangelnde Quantität oder Qualität dieser Ressourcen, d.h. ein nicht angemessen eingerichteter Geschäftsbetrieb einen Missbrauch indizieren (vgl. Rz. 323 ff.).
Rz. 311
Zusammenhang zwischen Geschäftsbetrieb und Wirtschaftstätigkeit. Der Geschäftsbetrieb hängt mit der von der Körperschaft ausgeübten Tätigkeit zusammen. Die Tätigkeit wird in bzw. durch den Geschäftsbetrieb ausgeübt und wird zur Wirtschaftstätigkeit i.S.d. Nr. 2, wenn dieser Geschäftsbetrieb angemessen ausgestattet ist (sachlicher Zusammenhang). Wird die Tätigkeit von einem Dritten ausgeübt und der Körperschaft zugerechnet, so kommt es darauf an, ob der Dritte für diese Tätigkeit einen angemessen ausgestatteten Geschäftsbetrieb unterhält (vgl. zum Outsourcing Rz. 379 ff.). Daneben besteht aber auch ein örtlicher Zusammenhang zwischen der Wirtschaftstätigkeit und dem Geschäftsbetrieb: Dort wo sich der Geschäftsbetrieb befindet, wird auch die Wirtschaftstätigkeit ausgeübt. Es kann aber auch eine einheitlich zu verstehende Wirtschaftstäti...