Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 39
Liquidation. Die Erzielung eines Gewinns durch eine ausl. Obergesellschaft aus der Liquidation einer anderen ausl. Gesellschaft (Untergesellschaft) ist der zweite Vorgang (vgl. Anm. 29), der die Rechtsfolge des § 11 auszulösen geeignet ist. Er macht die Abgrenzung zwischen einer Liquidation und einer Anteilsveräußerung notwendig. Die Liquidation einer Gesellschaft führt zu deren Auflösung. Zeitlich betrachtet tritt die Liquidation spätestens in dem Augenblick ein, in dem die Gesellschaft nach dem Zivilrecht ihres Sitzstaats nicht mehr besteht. Wird das wirtschaftliche Eigentum an dem zu liquidierenden Vermögen schon vorher übertragen, so tritt die Gewinnrealisierung entsprechend früher ein. Soweit der Liquidationsgewinn in einen HZB eingeht, gilt dieser gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 als in der logischen Sekunde nach Abschluss der Liquidation dem unbeschränkt stpfl. Anteilseigner als zugeflossen. Steuerrechtlich wird die Liquidation als ein Vorgang behandelt, der der Anteilsveräußerung wirtschaftlich ähnlich, jedoch nicht mit ihr identisch ist. Die Liquidation führt zur Realisierung aller stillen Reserven innerhalb der zu liquidierenden Gesellschaft und zur Auskehrung des die Schulden übersteigenden Aktivvermögens. Übersteigen die Schulden das Aktivvermögen, so kann nichts ausgekehrt werden. Der Auskehrung steht der Untergang der Anteile an der liquidierten Gesellschaft gegenüber. Die Differenz zwischen dem anteiligen Wert des ausgekehrten Vermögens und den (ggf. fortgeschriebenen) Anschaffungskosten der Anteile machen den Gewinn oder den Verlust des Anteilseigners aus der Auflösung aus. Zu beachten ist, dass § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG keine Anwendung findet. Nachgeschaltete ausl. Gesellschaften haben weder ein steuerliches Einlagekonto i.S. des § 27 KStG noch sind sie unbeschränkt stpfl. Zwar kann eine unbeschränkt stpfl. Kapitalgesellschaft, an der eine ausl. Obergesellschaft beteiligt ist, liquidiert werden. In diesem Fall ist der Liquidationsgewinn der ausl. Obergesellschaft jedoch ein aktiver i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 9 (vgl. § 8 Anm. 296). Welche Tatbestände die Auflösung einer Gesellschaft auslösen können, entscheidet sich nach dem maßgebenden Gesellschaftsrecht. Die Auflösungsgründe können vertraglicher (Auflösungsbeschluss, Kündigung) oder gesetzlicher Art (Eröffnung des Insolvenzverfahrens; Löschung im Register) sein. Es ist auch eine Teilliquidation denkbar. Im Bereich des § 11 ist idR auf das Recht des Sitzstaates der ausl. Gesellschaft abzustellen. Nach diesem ist auch zu entscheiden, ob der Erwerb eigener Anteile oder die Einziehung eines Anteils als Teilliquidation zu beurteilen ist. Als Liquidation müssen auch Umwandlungsvorgänge in Betracht gezogen werden, wenn und soweit sie zum Untergang einer Gesellschaft führen. Zwar sind auf Vorgänge dieser Art primär die Vorschriften des UmwStG anzuwenden. § 1 Abs. 1 UmwStG verweist jedoch auf § 1 UmwG, der wiederum nur die Umwandlung von Rechtsträgern mit Sitz im Inland regelt. Daran fehlt es in den von § 11 angesprochenen Fällen zwangsläufig. Ausländisches Umwandlungsrecht findet im Inland keine Anwendung. Ob dies immer mit dem EU-Recht vereinbar ist, ist eine andere Frage.
Rz. 40
Gewinn/Verlust. Der Liquidationsgewinn bzw. -verlust ist in entsprechender Anwendung der Vorschriften des dt. Steuerrechts zu ermitteln. Insoweit ist § 10 Abs. 3 Satz 1 iVm. § 4 Abs. 1 oder § 4 Abs. 3 EStG und nicht etwa § 17 Abs. 4 iVm. Abs. 2 EStG anzuwenden. § 11 KStG findet keine entsprechende Anwendung, weil die Vorschrift eine unbeschränkt stpfl. Kapitalgesellschaft, eine unbeschränkt stpfl. Erwerbs- oder Wirtschaftsgenossenschaft oder einen unbeschränkt stpfl. Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit voraussetzt und es daran in den Fällen des § 11 zwangsläufig fehlt. Abzustellen ist deshalb auf den Zeitpunkt, in dem die aufzulösende Gesellschaft ihr Vermögen nach dem einschlägigen ausl. Recht auskehrt. Häufig entsteht der Auflösungsgewinn schon vor Auflösung der Gesellschaft. Der Gewinn entsteht also nicht automatisch mit dem Beschluss über die Liquidation bzw. erst mit der Löschung in dem einschlägigen Register. Abschlagszahlungen auf die Vermögensauskehrung sind nicht notwendigerweise im Zuflusszeitpunkt, sondern in dem Zeitpunkt steuerlich zu erfassen, in dem der Gewinn oder der Verlust als solcher entsteht. Dennoch ist der Liquidationsgewinn dem Liquidationszeitraum zuzuordnen. Ein Liquidationsverlust entsteht in dem Augenblick, in dem mit einer Änderung des bereits feststehenden Verlusts nicht mehr zu rechnen ist.
Rz. 41
Abgrenzung zwischen Beteiligungsertrag und Liquidationsgewinn. Wie im Bereich der Anteilsveräußerung (vgl. Anm. 26 ff.), so ergibt sich auch im Bereich der Liquidation die Notwendigkeit, zwischen der Ausschüttung eines Beteiligungsertrages und der Auskehrung des Liquidationsvermögens zu unterscheiden. Insoweit kommt allerdings dem einschlägigen ausl. Gesellschaftsrecht größere Bedeutung zu. Es kann sei...