Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
"... werden ... zugerechnet."
Rz. 111
Rechtsfolge des § 15 Abs. 1. Die Rechtsfolge des § 15 besteht in einer Zurechnung der Einkünfte (vgl. Rz. 103) und des Vermögens der Stiftung (vgl. Rz. 102). Die Vermögenszurechnung geht allerdings ins Leere, solange in Deutschland eine VSt nicht erhoben wird (vgl. Rz. 101). Das Erzielen und die Zurechnung von Einkünften sind zweierlei. Die Zurechnung setzt voraus, dass die ausländische Familienstiftung die Einkünfte erzielt, also in eigener Person den jeweiligen Einkunftstatbestand verwirklicht (vgl. Rz. 77, 103, 112). Erst in einem sich anschließenden zweiten Schritt werden diese einer anderen Person zugerechnet. Seinen normativen Reflex findet dies darin, dass die in der Grundnorm des Abs. 1 angeordnete Zuordnung durch die Regelungen in den "Scharniernormen" von Abs. 7 und 8 weiter entfaltet wird. Diese betreffen die Ermittlung der von der Familienstiftung erzielten Einkünfte einerseits, die Zurechnung beim Zurechnungsadressaten andererseits. Dabei erfolgt die Zurechnung in erster Linie gegenüber dem Stifter, in zweiter Linie gegenüber den Bezugsberechtigten und Anfallsberechtigten (vgl. Rz. 126). Auf eine statutarische Berechtigung des Stifters, Leistungen der Stiftung zu erhalten, kommt es nicht an, was einer der wesentlichen Kritikpunkte an § 15 darstellt (vgl. Rz. 32). Der Begriff "Einkünfte" ist an sich als Plural zu verstehen. Erzielt die Familienstiftung Einkünfte aus verschiedenen Einkunftsarten, z.B. aus Gewerbebetrieb, aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung, müsste sich daher die Zurechnung auf Einkünfteebene des Zurechnungsadressaten (vgl. R 2 Abs. 1 Zeile 1 EStR) innerhalb der jeweiligen Einkunftsart vollziehen. Aufgrund der Anordnung in § 15 Abs. 8 Satz 1, der nach hier vertretener Auffassung für einkommensteuerpflichtige und körperschaftsteuerpflichtige Zurechnungsadressaten gilt (vgl. ausführlich Rz. 386 f., 390), werden die nach Abs. 7 ermittelten Stiftungseinkünfte in einem einzigen Betrag als Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG zugrechnet (vgl. näher Rz. 347). Dieser bleibt bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens des Zurechnungsadressaten unberücksichtigt. Stattdessen erhöht der entsprechend § 32d Abs. 3 EStG separat ermittelte Steuerbetrag die festzusetzende ESt (vgl. R 2 Abs. 2 Zeile 13 EStR). Die Zurechnung setzt keine weiteren vom Zurechnungsadressaten persönlich erzielten Einkünfte und auch kein erzieltes Einkommen voraus.
Rz. 112
Wesen der Zurechnung. Unter Zurechnung ist die steuerrechtliche Zuordnung in persönlicher Hinsicht zu verstehen. Seit dem VZ 2013 bezieht sich Zuordnung in § 15 auf Einkünfte. Diese kann rechtssystematisch gesehen auf zwei verschiedene Weisen erklärt werden: Als kumulative Zurechnung, welche die von der Familienstiftung erzielten Einkünfte lediglich zusätzlich den Zurechnungsadressaten für Zwecke der Besteuerung zuordnet, im Übrigen aber die Einkünfteerzielung durch die Stiftung unberührt lässt. Oder als privative Zurechnung, welche den gesamten Einkünfteerzielungstatbestand von der Stiftung weg dem Zurechnungsadressaten zuordnet. Die Regelung in § 15 Abs. 8 Satz 1 könnte dafür sprechen, die Zurechnung als einen fiktiven Einkünftetransfer der ausländischen Stiftung an den Zurechnungsadressaten zu verstehen. So verstanden würde § 15 der Vermögenszurechnung nach § 39 AO ähneln oder der Einkommenszurechnung im Rahmen der Organschaft (§ 14 Abs. 1 Satz 1 KStG, vorbehaltlich allerdings § 16 KStG). Die Rechtslage ist allerdings eine andere, denn es fehlt an einer gesetzlichen Grundlage für die korrespondierende Einkünfteminderung bei der Stiftung. Konsequenterweise ist bei einer Beteiligung einer ausländischen Familienstiftung an einer inländischen Mitunternehmerschaft die Stiftung und nicht der Zurechnungsadressat i.S. von § 15 Beteiligte im Feststellungsverfahren gem. §§ 179 ff. AO. Die Zurechnung gegenüber dem Zurechnungsadressaten schließt die Besteuerung der Einkünfte bei der Stiftung (im Rahmen einer beschränkten Steuerpflicht) nicht aus. Mit dieser Anordnung einer kumulativen Zurechnung stimmt § 15 mit § 5 überein (vgl. § 5 AStG Rz. 172). In der besonderen Ausprägung, welche die Zurechnung des Abs. 1 durch die Scharniernormen des Abs. 7 und 8 erhalten hat, gleicht sie aber auch § 7. (vgl. dazu vor §§ 7–14 AStG Rz. 44 bis 48). Zur Konkurrenz zur Hinzurechnungsbesteuerung vgl. Rz. 83.
Rz. 113
Zurechnungszeitpunkt. Das Gesetz schweigt zum Zeitpunkt, zu dem die Einkünfte zuzurechnen sind. Nach allgemeinen steuerlichen Grundsätzen kommt dadurch entweder das Ende des VZ oder das Ende des Ergebnisermittlungszeitraums der Stiftung in Betracht. Letzteres ist richtig (vgl. näher Rz. 353).
Rz. 114– 115
frei