Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 441
Normzweck und Anwendbarkeit nach ATAD-UmsG. Abs. 9 Satz 2 dient, ebenso wie § 15 Abs. 10 Satz 2 und Abs. 11, der Vermeidung einer doppelten Steuerbelastung. Insoweit, als Einkünfte der Stiftung nach § 15 Abs. 9 Satz 1 bereits hinzugerechnet wurden, soll die Ausschüttung von Gewinnen an die Stiftung, die auf diesen Einkünften beruhen, dort nicht noch einmal der Zurechnung gem. Abs. 1, 7 und 8 unterliegen. Daher ist auf diese Gewinnausschüttungen Abs. 1 nicht anzuwenden. Bei Inkrafttreten des AmtshilfeRLUmsG entsprach dies der systematischen Konzeption auch bei der Hinzurechnungsbesteuerung, wo § 3 Nr. 41 EStG a.F. die Parallelvorschrift bildete. Der Gesetzgeber des ATAD-UmsG hat hier im Anschluss an Art. 8 Abs. 5 ATAD einen Systemwechsel vollzogen, wonach die Ausschüttungen der Zwischengesellschaft steuerpflichtig sind, aber die Hinzurechnungsbeträge mindern, die ihnen zugrunde (vgl. § 11). Durch den Verweis auf die §§ 7 ff. schlägt dieser Systemwechsel auf Abs. 9 durch und dem Gesetzgeber ist insofern ein gravierender handwerklicher Fehler unterlaufen, als er Satz 3 in diesem Zusammenhang nicht aufhob. Nach hier vertretener Auffassung wird die offenbare planwidrige Lücke durch teleologische Reduktion der Verweisung auf § 11 geschlossen (vgl. ausführlich Rz. 426). Satz 3 ist daher weiterhin anwendbar.
„ 3 Auf Gewinnausschüttungen der ausländischen Gesellschaft, ...”
Rz. 442
Ausländische Gesellschaft. Der Ausdruck "ausländische Gesellschaft" ist in Satz 1 legal definiert und entsprechend der identischen Begriffsdefinition des § 7 Abs. 1 auszulegen (Rz. 407). Trotz der Verwendung des bestimmten Artikels "der" statt des unbestimmten Artikels "einer" besteht kein Identitätserfordernis in der Weise, dass die ausschüttende Gesellschaft mit derjenigen identisch sein müsste, welche die zugerechneten Einkünfte erzielt hat. Wird die ausländische Gesellschaft auf eine andere umgewandelt, bleibt das Entlastungspotenzial erhalten und sind nachfolgende Gewinnausschüttungen an die Familienstiftung bei der Ermittlung ihrer Einkünfte gem. Abs. 7 nicht zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Umwandlung nach ausländischem Gesellschaftsrecht identitätswahrend stattfindet oder nicht (vgl. näher Rz. 447).
Rz. 443
Gewinnausschüttung. Was als Gewinnausschüttung gilt, bestimmt sich nicht nach ausländischem Gesellschaftsrecht oder nach ausländischem Steuerrecht. Maßgeblich sind die Grundsätze des deutschen Steuerrechts. Dies liegt darin begründet, dass die zuzurechnenden Einkünfte der ausländischen Gesellschaft nach deutschem Steuerrecht ermittelt werden (§ 15 Abs. 9 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 3). Zwischen diesen Einkünften, die der Zurechnung unterliegen, und den Gewinnausschüttungen, die von der Zurechnung ausgenommen sind, besteht nach dem Willen des Gesetzes eine gewisse Korrespondenz (vgl. dazu und zu den Grenzen Rz. 441, 446). Würde man die Maßstäbe zur Auslegung beider Elemente unterschiedlichen Rechtsordnungen entnehmen, wären Widersprüche unvermeidlich. Bei der Auslegung nach Maßgabe des deutschen Ertragsteuerrechts ist die Perspektive des Gesellschafters entscheidend, der die Ausschüttungen vereinnahmt. Das widerspricht zwar in einer gewissen Weise der Semantik des Begriffs, der auf einen Vermögensabfluss statt auf eine Einnahme abstellt. Dennoch ist aus systematischen Gründen der Blickwinkel der ausschüttenden Gesellschaft (z.B. nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) nicht maßgeblich (vgl. Kommentierung § 8 AStG Rz. 282), weil die Rechtsfolge von Satz 2 sich insgesamt an den Gesellschafter richtet. Innerhalb des so gezogenen Auslegungsrahmens erscheint es naheliegend, sich zur Auslegung an § 8 b Abs. 1 KStG zu orientieren. Die Zwecke beider Normen sind nämlich durchaus vergleichbar. Eine Einschränkung ergibt sich dabei für in § 20 Abs. 1 Nr. 9 und 10 EStG bezeichnete Einnahmen, da diese nicht von einer ausländischen Gesellschaft, wie sie in Satz 1 definiert ist (vgl. Rz. 407, 442), bezogen werden können. Bezüge nach § 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG, einschließlich verdeckter Gewinnausschüttungen, gehören jedoch zu den Gewinnausschüttungen i.S. von § 15 Abs. 9 Satz 2. Mit Blick auf den Normzweck gehören auch Einnahmen aus der Veräußerung von Dividenden dazu (§ 8 b Abs. 1 Satz 5 KStG).
Rz. 444
Kapitalrückzahlungen. Ebenso wie bei § 8 Abs. 1 Nr. 8 erweist sich auch bei Abs. 9 Satz 2 die Abgrenzung zur Kapitalrückzahlung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3, Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG) als problematisch (vgl. § 8 AStG Rz. 284 ff.). Dies liegt darin begründet, dass die Behandlung von Kapitalrückzahlungen ausländischer Gesellschaften bei ihren inländischen Gesellschaftern sehr umstritten ist. Dabei sind drei Aspekte zu unterscheiden: Zunächst (i) können Leistungen einer Gesellschaft, die in einem Mitgliedstaat der EU unbeschränkt steuerpflichtig ist, zwar unter den Voraussetzungen des § 27 Abs. 8 KStG unstreitig nicht steuerbare Kapitalrückzahlungen darstellen. Nicht zu Unrech...