Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 131
Systematische Stellung des § 10 Abs. 1 Satz 4. Die Stellung von § 10 Abs. 1 Satz 4 ist systematisch verfehlt. Ihrem Inhalt nach betrifft die Bestimmung weder den Abzug der Steuern von den Zwischeneinkünften noch den HZB i.S. von § 10 Abs. 1. Vielmehr entfällt die Hinzurechnung nur, wenn der sog. anzusetzende HZB i.S. von § 10 Abs. 2 negativ ist. § 10 Abs. 1 Satz 4 muss deshalb rechtssystematisch dem § 10 Abs. 2 zugeordnet werden.
Beispiel
Die deutsche D-GmbH ist alleinige Gesellschafterin der ausländischen Zwischengesellschaft A. Die A erzielt im Wirtschaftsjahr 03 negative Zwischeneinkünfte i.H. von ./.5. Sie bezahlt die auf das Wirtschaftsjahr 01 erhobenen Steuern i.H. von 40 am 15.12.03. Die D-GmbH geht davon aus, dass die A künftig keine passiven Einkünfte mehr erzielt. Ein Verlustrücktrag gem. § 10 Abs. 3 Satz 5 und 6 i.V.m. § 10 d EStG kommt in Ermangelung positiver Zwischeneinkünfte in 02 nicht in Betracht. Ein Verlustvortrag macht aufgrund für die Zukunft nicht mehr erwarteter passiver Einkünfte keinen Sinn. Die D-GmbH optiert deshalb gem. § 12 Abs. 1 zur Anrechnung. Der HZB erhöht sich gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 um die in 03 entrichteten Steuern; er beträgt +35 (./.5 + 40).
Rz. 132
Vier Fälle der Entstehung eines negativen Betrags. Ein negativer Betrag i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 4 kann sich aus verschiedenen Gründen ergeben: (1) Einmal können die nach § 7 Abs. 1 steuerpflichtigen Einkünfte negativ sein. Dazu stellt die Möglichkeit des Verlustvortrages und Verlustrücktrages nur eine zusätzliche Variante dar, § 10 Abs. 3 Satz 5 und 6 i.V.m. § 10 d EStG. (2) Sodann kann ein negativer Betrag auf dem Steuerabzug nach § 10 Abs. 1 Satz 1 basieren. (3) Die Zurechnung von negativen Zurechnungsbeträgen nachgeschalteter Zwischengesellschaften gem. § 14 kann insgesamt zu einem negativen Betrag führen. (4) Schließlich sind die Kürzungsmöglichkeiten des HZB nach § 11 (früher: §§ 11 und 13 a.F.) mit in die Betrachtung einzubeziehen.
Rz. 133
Beschränkung auf positive Hinzurechnungsbeträge entbehrt sachlicher Rechtfertigung. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut von § 10 Abs. 1 Satz 4 können negative Hinzurechnungsbeträge dem Steuerinländer nicht als negative Einkünfte zugerechnet werden. Der Gesetzgeber ist hier inkonsequent. Es entspricht einem allgemeinen steuerlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, dass der Steuerpflicht positiver Einkünfte die Möglichkeit des Ausgleichs negativer Einkünfte mit anderweitigen positiven Einkünften gegenübersteht. Diesen Grundsatz hat der Gesetzgeber ohne Not und innere Rechtfertigung verlassen. Die Norm sieht sich deshalb verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt. Die Ungleichbehandlung wurde im Übrigen auch von den Klägern in der Rechtssache Cadbury Schweppes zu den britischen CFC-Regeln zutreffend als Verletzung der EU-Grundfreiheiten gerügt (vgl. Anm. 47). Kluge wendet hiergegen ein, der Gesetzgeber habe den Gleichbehandlungsgrundsatz überhaupt nicht verletzt, ja nicht einmal berührt, weil nach allgemeinem Steuerrecht weder die Verluste inländischer Gesellschaften noch die ausländischer Gesellschaften abzugsfähig seien. Die mangelnde Berücksichtigung negativer Zwischeneinkünfte der ausländischen Gesellschaft bei den inländischen Anteilseignern erfolge vielmehr in systemkonformer Weise. Diesem Einwand kann nicht gefolgt werden. Das Versagen der zwischengesellschaftlichen Verlustberücksichtigung nach allgemeinem Steuerrecht zieht seine Rechtfertigung daraus, dass lediglich ausgeschüttete Dividenden der inländischen Besteuerung unterworfen werden. Die Anteilseigner können so über ein entsprechendes Ausschüttungsverhalten ihre Besteuerung steuern. Dieser Umstand rechtfertigt es, von den Anteilseignern spiegelbildlich verlangen zu können, ihren Willen auch dann zu betätigen, wenn sie die auf Gesellschaftsebene entstandenen Verluste auf der Ebene der Gesellschafter geltend machen wollen. Konkret heißt das für die Gesellschafter, im Rahmen einer Gesellschafterversammlung einen Liquidationsbeschluss zu fassen, um mit dem Abschluss der Liquidation das aufgezehrte Eigenkapital steuermindernd geltend zu machen. Demgegenüber begnügt sich die Hinzurechnungsbesteuerung nicht mit der Erfassung ausgeschütteter Dividenden. Die §§ 7–14 verschaffen dem inländischen Besteuerungsanspruch vielmehr im Wege des steuerlichen Durchgriffs Geltung. Ihnen ist es egal, ob die Gewinne der ausländischen Gesellschaft aufgrund einer Willensbetätigung der Anteilseigner (Ausschüttungsbeschluss) ausgeschüttet werden oder nicht. Genau dieser Umstand macht aber deutlich, dass es dem Verbot des § 10 Abs. 1 Satz 4 AStG nicht möglich sein darf, sich für eine Rechtfertigung auf diejenigen Argumente zu stützen, derer sich das allgemeine Steuerrecht bedienen kann.
Rz. 134
Kein Ausgleich mit positiven Hinzurechnungsbeträgen aus Beteiligung an anderen Zwischengesellschaften. Die Frage, ob ein negativer HZB mit einem aus der Beteiligung an einer anderen ausländischen Zwis...