Prof. Dr. Jochen Lüdicke, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 771
Systemkonforme Ausnahme zu § 34 c Abs. 6 Satz 1 EStG. Zur Vermeidung aufgrund von Qualifikationskonflikten entstehender nichtbesteuerter "weißer Einkünfte", welche dem Sinn und Zweck der DBA widersprechenden, hat der Gesetzgeber im Rahmen des JStG 2007 mit dem § 50 d Abs. 9 EStG eine unilaterale switch-over-Klausel eingefügt. Die Vorschrift ist als treaty override ausgestaltet und soll mithin das DBA ausdrücklich verdrängen (s. § 50 d Abs. 9 EStG Anm. 34). Allerdings ist die Regelung des § 50 d Abs. 9 EStG auf Rechtsfolgenseite unvollständig, denn es wird zwar die Freistellung der ausländischen Einkünfte – trotz abkommensrechtlicher Verpflichtung – versagt. Eine eigene Regelung über die Anrechnung einer ggf. einbehaltenen ausländischen Steuer enthält hingegen § 50 d Abs. 9 EStG nicht. Auch eine Anrechnung nach § 34 c Abs. 1 (iVm. Abs. 6 Satz 2) EStG kommt mangels Vereinbarung der Anrechnungsmethode im DBA nicht in Betracht. Folglich kommt es aufgrund des unilateralen treaty override zu einem Systembruch und der Stpfl. würde ohne DBA aufgrund der Nichtanwendbarkeit des § 34 c Abs. 6 Satz 1 EStG besser stehen.
Sinn und Zweck des § 50 d Abs. 9 EStG besteht jedoch nicht darin, eine Benachteiligung des Stpfl. durch eine Doppelbesteuerung (mangels Anrechnungsmöglichkeit) zu schaffen, sondern die reguläre Einmalbesteuerung der Einkünfte sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund ist es nur konsequent, dass im Rahmen des JStG 2007 mit § 34 c Abs. 6 Satz 5 EStG auch eine Ausnahme von § 34 c Abs. 6 Satz 1 EStG eingefügt wurde und somit zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung wiederrum systemkonform die Anrechnung einer einbehaltenen ausländischen Steuer auf die Einkünfte ermöglicht wird.
Rz. 772
Rechtsfolge. Soweit § 50 d Abs. 9 EStG einschlägig ist und es zu einem switch-over von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode kommt, ordnet § 34 c Abs. 6 Satz 5 EStG die entsprechende Anwendung von § 34 c Abs. 1–3 EStG an. Ergänzend dazu sind aber auch die Einschränkungen des Satzes 6 zu beachten, dh. die Anrechnung wird nur gewährt, soweit kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten vorliegt.
Rz. 773
Weitere switch-over Klauseln. In der Steuergesetzgebung finden sich mit § 50 d Abs. 8 EStG und § 20 Abs. 2 AStG weitere unilaterale switch-over Klauseln, welche trotz vereinbarter Freistellungsmethode unilateral die Freistellung versagen. Für diese ist § 34 c Abs. 6 Satz 5 EStG jedoch nicht anwendbar, da dieser ausweislich des Wortlauts nur im Fall des § 50 d Abs. 9 EStG einschlägig ist. Eine denkbare analoge Anwendung des § 34 c Abs. 6 Satz 5 EStG auf diese Fälle ist mangels Regelungslücke ebenfalls nicht möglich und auch nicht erforderlich. § 50 d Abs. 8 EStG regelt zwar – ebenso wie § 50 d Abs. 9 EStG – auf Rechtsfolgenseite nur die Versagung der abkommensrechtlich gebotenen Freistellung und enthält keine eigene Regelung über die Anrechnung einer möglicherweise einbehaltenen ausländischen Steuer. Allerdings ist dies im Rahmen des § 50 d Abs. 8 EStG auch nicht erforderlich. Denn soweit der Nachweis der Festsetzung und Zahlung der Steuer nach § 50 d Abs. 8 EStG nicht erbracht werden kann, scheitert auch der für die Anrechnung nach § 34 c EStG erforderliche Nachweis der ausländischen Steuer nach § 68 b Satz 1 EStDV. Im Fall der Versagung der Freistellung nach § 20 Abs. 2 AStG regelt dieser bereits selbst auf Rechtsfolgenseite die Anrechnung der ausländischen Steuer. Dieser Verweis in § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG wird als vollumfassender Verweis auf die Anrechnungsvorschriften des § 34 c EStG verstanden, so dass es einer gesonderten Anordnung wie für Fälle des § 50 d Abs. 9 EStG nicht mehr bedarf.
Rz. 774
frei