Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 114
Gesetzesänderung. § 8 Abs. 1 Nr. 4 wurde mit Wirkung ab den nach dem 31.12.2002 beginnenden Wirtschaftsjahren einer ausländischen Zwischengesellschaft geändert, für das Zwischeneinkünfte zu ermitteln sind, die einer Hinzurechnung gem. §§ 7 ff. unterliegen. Die Änderung betrifft die Ausnahmeregelungen in den Buchst. a und b der Nr. 4 und nicht den Handelsbegriff als solchen. Sie gilt gleichermaßen für die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer und hat zum Ziel, künftig nicht mehr darauf abzustellen, ob die Güter oder Waren vom Inland ins Ausland bzw. umgekehrt geliefert werden. Stattdessen kommt es darauf an, ob der Stpfl. oder die ihm nahe stehende Person der Zwischengesellschaft die Verfügungsmacht an den Gütern oder Waren wo auch immer verschafft bzw. umgekehrt die Zwischengesellschaft ihnen die Verfügungsmacht verschafft. Entsprechend gelten die Ausführungen unter Anm. 115–123 und 125–130 auch im Rahmen der Neufassung. Als Ausnahme von der Ausnahme ist von einer aktiven Handelstätigkeit auszugehen, wenn die Zwischengesellschaft über einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb verfügt, mit ihrer Handelstätigkeit am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt und keine Mitwirkungstatbestände verwirklicht. Durch die Gesetzesänderung wird die Frage nach der EU-Verträglichkeit der Regelung eher noch verschärft, weil ein Bereich "echter" Handelstätigkeit dem passiven Erwerb zugeordnet wird.
Rz. 115
Handelstätigkeiten. Einkünfte aus Handelstätigkeiten sind grundsätzlich dem aktiven Erwerb zuzuordnen. Dies gilt insbes. für den Handel mit der ausländischen Gesellschaft fremden Partnern. Dieser Grundsatz erfährt durch die komplizierten Ausnahmeregelungen jedoch wesentliche Durchbrechungen. Das Gesetz definiert den Handelsbegriff nicht. Der entsprechende Begriff i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 4 ist nicht mit dem des Handelsgewerbes i.S. von §§ 1 und 343 HGB identisch. Der in § 8 Abs. 1 Nr. 4 verwendete Begriff ist erheblich weiter und umfasst Tätigkeiten, die auch unter § 8 Abs. 1 Nr. 2, 3, 5 oder 7 zu subsumieren sein können. Unter Handelstätigkeiten i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 4 sind alle zu verstehen, die auf den Austausch von wirtschaftlichen Gütern gerichtet sind und nicht bereits unter § 8 Abs. 1 Nr. 2 fallen. Ableitend von § 1 Abs. 2 Nr. 1 HGB aF kann man als Handelstätigkeiten auch die Anschaffung und Weiterveräußerung von Sachen (Waren) verstehen, soweit die Sachen unverändert, dh. unverarbeitet und unbearbeitet weiterveräußert werden. Diese Definition geht über § 1 Abs. 2 Nr. 1 HGB aF insoweit hinaus, als unter § 8 Abs. 1 Nr. 4 auch die Anschaffung und Weiterveräußerung von unbeweglichen Sachen zu fassen sind. Unerheblich ist, auf welcher Handelsstufe der Händler steht und in welcher Reihenfolge sich Erwerb und Veräußerung vollziehen. Wer selbst produzierte Waren vertreibt, fällt bereits unter § 8 Abs. 1 Nr. 2, weshalb es auf die engeren Voraussetzungen der Nr. 4 nicht mehr ankommt. Der Handelsvertreter, Makler, Spediteur, Frachtführer und Lagerhalter erbringen idR Dienstleistungen. Entsprechendes gilt, wer Marktanalysen anfertigt, Geschäfte nur anknüpft, Vertreter betreut u. ä. m. Es ist eine scharfe Abgrenzung zu der Vermittlungstätigkeit bei der Veräußerung unbeweglicher Sachen (Makler) erforderlich, die nicht als Handelstätigkeit, sondern als Dienstleistungstätigkeit i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 5 einzuordnen ist. Im Übrigen ist es für den Begriff der Handelstätigkeit unerheblich, ob die Sache zunächst gekauft und dann veräußert wird oder umgekehrt. Der Handelstätigkeit wohnt allerdings der Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an einer Sache durch eine Person immanent inne. Deshalb fallen alle Geschäfte, die nicht auf Eigentumserwerb gerichtet sind (Miete, Leihe, Leasing, Nießbrauch, Pfandrecht), aus dem Begriff der Handelstätigkeit heraus. Dagegen ist die Tätigkeit des Kommissionärs eine Handelstätigkeit. Die Handelstätigkeit muss entgeltlich ausgeübt werden, weshalb jeder unentgeltliche Erwerb aus dem Begriff ausscheidet. Gegenstand des Handels müssen Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens sein. Wird das wirtschaftliche Eigentum an Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens übertragen, so spricht dies gegen die Anwendung von § 8 Abs. 1 Nr. 4.
Rz. 116
Abgrenzung Handel, Urproduktion, Be- und Verarbeitung. Wegen der Abgrenzung zwischen Handel und Urproduktion bzw. zwischen Handel und Be- oder Verarbeitungstätigkeit wird auf Anm. 78 und 71 verwiesen. Beteiligt sich eine ausländische Gesellschaft zB als Kommanditist oder als atypisch stiller Gesellschafter an einer den Handel betreibenden Personengesellschaft (Einzelunternehmen) nur kapitalmäßig, so übt sie dennoch Handelstätigkeiten i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 4 aus (vgl. Anm. 16, 22, 42). Dies gilt selbst dann, wenn der ausländischen Gesellschaft nicht die Geschäftsführung zusteht. Entscheidend ist, dass sie das typische Handelsrisiko trägt. Der Begriff "Handel" erfordert dagegen keine "ei...