Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 133
Ausnahmeregelung: Einkaufsgesellschaft. § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b betrifft den Fall der sog. Einkaufsgesellschaft (vgl. Anm. 123). Der Gesetzgeber verfolgt mit der Bestimmung die Vorstellung, dass der im Import liegende Gewinn durch die ausländische Gesellschaft aufgefangen werden könnte, wenn diese die Waren und Güter zu einem hohen Preis in das Inland liefert und dadurch die inländische Gewinnspanne verringert wird. In diesen Fällen besteht die Gefahr, dass der Gewinn eines inländischen Unternehmens künstlich auf eine ausländische Gesellschaft verlagert wird. Auch diese Regelung begegnet erheblichen EU-rechtlichen Bedenken. Es tangiert die Niederlassungsfreiheit, wenn der Gesetzgeber die Gründung von Einkaufsgesellschaften im niedrig besteuernden Ausland zum Anlass nimmt, im Inland eine Art "Nachsteuer" in der Form der Hinzurechnungsbesteuerung zu erheben. Auch insoweit stellt sich die Frage, weshalb die ausländische Tochterproduktionsgesellschaft steuerrechtlich anders als die ausländische Tochtereinkaufsgesellschaft behandelt wird, wenn beide wirtschaftlich anzuerkennende Funktionen ausüben. Die Hinzurechnungsbesteuerung nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b greift nur unter folgenden einschränkenden Voraussetzungen ein:
Rz. 134
Verschaffung der Verfügungsmacht. Seit dem StVerGAbG verwendet § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und b nicht mehr den Begriff der "Lieferung" von Gütern oder Waren. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Verfügungsmacht an den gehandelten Gütern oder Waren verschafft wird. Der Verschaffungstatbestand ist von anderen Formen der Mitwirkung (zB Dienstleistungen) abzugrenzen. Es kommt auf den Ort der Verschaffung nicht an. Dieser kann im Inland oder im Ausland liegen. Die Verschaffung der Verfügungsmacht muss dennoch der Teil eines Handelsgeschäftes sein. Es muss das wirtschaftliche Eigentum an den gehandelten Gütern oder Waren von dem Verschaffenden übertragen werden. Rechtsgeschäfte wie Miete, Leihe, Nießbrauch u.a.m., die nicht auf die Übertragung wirtschaftlichen Eigentums zielen, scheiden deshalb aus dem Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und b aus. Es muss die Verfügungsmacht an den Gütern oder Waren von der ausländischen Gesellschaft an den beteiligten Anteilseigner oder eine ihm nahe stehende Person verschafft werden (vgl. Anm. 125, 126). Die Verschaffung durch einen anderen Steueraus- oder -inländer erfüllt selbst dann nicht die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b, wenn die ausländische Gesellschaft die Waren zuvor an den Verschaffenden veräußert hatte.
Rz. 135
Solche nahe stehende Person. Unverständlich ist in § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b der Zusatz "solche" bei der nahe stehenden Person. Gesetzestechnisch bezieht er sich auf die in § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a näher umschriebene "nahe stehende Person". Dort ist aber eine Person gemeint, die Güter oder Waren an die ausländische Gesellschaft liefert. An dieser Voraussetzung muss es in den Fällen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b zwangsläufig fehlen, weil die Bestimmung die sog. Einkaufsgesellschaft betrifft. Deshalb löst im Rahmen von § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b die Lieferung an jede nahe stehende Person die Hinzurechnungsbesteuerung aus (vgl. aber Anm. 192).
Rz. 136
Steuerpflichten des empfangenden Gesellschafters und der ihm nahe stehenden Person. Der die Lieferung empfangende Gesellschafter muss unbeschränkt stpfl. sein. Wird dagegen die Lieferung an eine nahe stehende Person unternommen, so muss diese nicht notwendigerweise unbeschränkt stpfl. sein (vgl. Anm. 125, 128). Die Prüfung der Stpfl. des empfangenden Gesellschafters bzw. der ihm nahe stehenden Person ist im Bereich des § 8 Abs. 1 Nr. 4 schwieriger, weil der Erwerb von Gütern oder Sachen als solcher noch keine stpfl. Einkünfte auslöst. Relativ klar ist die Sache, wenn der Gesellschafter bzw. die ihm nahe stehende Person die ihnen verschafften Güter oder Waren weiterveräußern. Problematisch kann die Rechtslage sein, wenn die genannten Personen mit den Gütern oder Waren keinen Handel betreiben, sondern sie anderweitig verwenden. Eine Verwendung im Privatvermögen wird idR keine Steuerpflicht auslösen.