Rz. 151
BMF Schreiben. Mit Schreiben vom 19.2.2020 hat sich das BMF erstmals zu § 4j EStG geäußert. Wesentlicher Inhalt sind zwei mit den obersten Finanzbehörden der Länder abgestimmte "Negativ-Listen" von länderspezifischen Besteuerungsregimen, die auf ihre Vereinbarkeit mit dem OECD-Modified-Nexus-Approach geprüft worden sind:
Rz. 152
Bedeutung des Abschnitts II. des BMF Schreibens. Abschnitt II. enthält eine Liste von Präferenzregimen, die vom BMF für den Veranlagungszeitraum 2018 als nicht nexus-konform eingeordnet worden sind. Insoweit greift das (Teil-)Abzugsverbot nach § 4j EStG, es sei denn die Ausnahme des § 4j Abs. 1 Satz 5 EStG (Erfassung der Erträge im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung (vgl. hierzu Rz. 173) greift. Hingegen werden in Abschnitt II. mit Blick auf die Nexus-Konformität für spätere Veranlagungszeiträume (noch) keine Aussagen getroffen.
Rz. 153
Bedeutung des Abschnitts III. des BMF Schreibens. Abschnitt III. enthält eine Liste an Präferenzregimen, für die eine abschließende Prüfung auf Nexus-Konformität seitens des BMF noch aussteht. Insoweit greift das (Teil-)Abzugsverbot nach § 4j EStG (noch) nicht. Dementsprechend sollen Lizenzzahlungen an (Lizenz-)Gläubiger, die ein in Abschnitt III. aufgeführtes Besteuerungsregime nutzen, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung i.S.d. § 164 AO veranlagt und der Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug zunächst zugelassen werden. Angesichts der mit einer Änderung zuungunsten des Steuerpflichtigen verbundenen Verzinsung des Steueranspruchs sollte im Einzelfall geprüft werden, ob ggf. die Anwendung des anteiligen Abzugsverbots sinnvoll ist und die vollumfängliche Abzugsfähigkeit erst später begehrt wird.
Rz. 154
Grundsätzliche Kritik am BMF Schreiben. Kritisch anzumerken ist, dass das BMF Schreiben v. 19.2.2020 den Umstand ignoriert, dass bestehende Regelungen auf konsentierter Basis im Rahmen des OECD Aktionspunkt 5 bis zum 31.12.2021 Bestandsschutz genießen und bis dahin vermutlich ohnehin größtenteils auslaufen werden. Anders ausgedrückt ist das (Teil-)Abzugsverbot für den Veranlagungszeitraum 2018 auch dann zu beachten, wenn das fragliche Besteuerungsregime später ausläuft. Ungeachtet dessen kann das BMF Schreiben vom 19.2.2020 lediglich als Arbeitshilfe herangezogen werden.
Rz. 155
Bloß exemplarischer "Negativkatalog". Zum einen stellen die hierin aufgeführten Besteuerungsregime keine abschließende Aufstellung über sämtliche derzeit weltweit bestehenden IP-Boxen dar. Es handelt sich lediglich um einen exemplarischen "Negativkatalog", der bei der Rechtsanwendung zur Entscheidungsfindung, ob eine IP-Box unter den Tatbestand des § 4j EStG zu subsumieren ist, herangezogen werden kann. Für alle nicht aufgeführten Besteuerungsregime ist daher stets eine Einzelfallprüfung erforderlich. Im Rahmen derer ist zu prüfen, ob eine Präferenzregelung i.S.d. § 4j Abs. 1 Satz 1 EStG vorliegt und diese ggf. dem Nexus-Ansatz entspricht. Bedauerlicherweise schafft das BMF Schreiben v. 19.2.2020 hierfür keine Klarheit mit Blick auf das verwaltungsseitige Verständnis, wann eine solche Präferenzregelung i.S.d. § 4j Abs. 1 Satz 1 EStG vorliegt. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund des in Abschnitt III. enthaltenen Negativkatalogs, der weitestgehend sehr allgemeine Begünstigungsregelungen enthält (z.B. Finanz-/Holdinggesellschaften oder internationale Unternehmen) beklagenswert. Unklar ist nämlich, ob die hierin aufgelisteten Besteuerungsregime als Präferenzregelungen i.S.d. § 4j Abs. 1 Satz 1 EStG zu verstehen sind.
Rz. 156
Möglicherweise fehlende Aktualität der BMF-Länderliste. Zum anderen enthält das BMF Schreiben v. 19.2.2020 den Hinweis, dass einige Staaten mittlerweile ihre Besteuerungsregime an den Modified-Nexus-Approach angepasst oder durch diesen ersetzt haben. Mithin ist insbesondere für (Lizenz-)Aufwendungen ab dem Veranlagungszeitraum 2019 getrennt zu prüfen, ob die BMF-Länderliste noch aktuell bzw. zutreffend ist. Hinzu kommt, dass in einigen Staaten im Veranlagungszeitraum 2018 Bestands- und Neuregelungen parallel anwendbar waren, weshalb bei Länderkonstellationen, die unter Abschnitt II. fallen, im Rahmen einer Einzelfallprüfung kontrolliert werden sollte, ob der betreffende (Lizenz-)Gläubiger von dem nexus-konformen bzw. dem nicht nexus-konformen Besteuerungsregime Gebrauch gemacht hat.
Rz. 157
Notwendigkeit einer regelmäßigen Aktualisierung des BMF Schreibens. Dem Vernehmen nach wird derzeit an einem BMF Schreiben zur Eingrenzung des sachlichen Anwendungsbereichs des § 4j EStG gearbeitet. Unter Zugrundelegung obiger Ausführungen umfasst ein solches regelmäßig zu aktualisierendes BMF Schreiben idealerweise eine Negativliste zur klaren Benennung schädlicher IP-Box-Regime. Dies würde in ganz erheblichem Maße zur Erhöhung der Planungssicherheit von Unternehmen beitragen.