Rz. 89

[Autor/Stand] Steuerneutraler Vermögenstransfer. Im Zeitpunkt der Übertragung bzw. Überführung muss eine Besteuerung der stillen Reserven unterblieben sein. Folglich muss es sich bei dem Vermögenstransfer um einen Vorgang gehandelt haben, der nicht als Realisationsvorgang oder als steuerneutraler Realisationsvorgang qualifiziert worden ist. Der Grund für die unterlassene Besteuerung ist unerheblich, es können sowohl rechtliche (z.B. § 6 Abs. 5 EStG) als auch tatsächliche Gründe dafür vorliegen.[2] Daher ist § 50 i Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 auch bei einer durch die Finanzverwaltung fälschlicherweise nicht vorgenommenen Besteuerung der stillen Reserven erfüllt. Sofern die stillen Reserven bspw. aufgrund von Sperrfristverstößen rückwirkend besteuert werden (z.B. § 6 Abs. 5 Satz 4 ff. EStG), ist die Besteuerung nicht unterblieben, weshalb auch § 50 i nicht einschlägig ist.[3] Wenn eine Besteuerung der stillen Reserven im Zeitpunkt der Übertragung oder Überführung stattgefunden hat, unterliegen die erworbenen Wirtschaftsgüter nicht der Anwendung von § 50 i. Dies gilt auch für die nach dem realisierenden Erwerb der Wirtschaftsgüter gebildeten (neuen) stillen Reserven.[4]

 

Rz. 90

[Autor/Stand] Vollständige Nichtbesteuerung der stillen Reserven. Fraglich ist, ob die Besteuerung der stillen Reserven vollständig unterblieben sein muss oder eine anteilige Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven (z.B. bei Einbringung i.S. des § 24 UmwStG mit dem Zwischenwert) ausreichend ist. Die Finanzverwaltung hält den Ansatz von Zwischenwerten für ausreichend[6], obwohl der Wortlaut der Vorschrift eine vollständige Nichtbesteuerung der stillen Reserven nahelegt. Ferner ist fraglich, ob eine Nichtbesteuerung i.S. des § 50 i Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 vorliegt, wenn die stillen Reserven im übertragenen Vermögen zwar aufgedeckt wurden, der steuerpflichtige Übertragungsgewinn aber durch Verrechnung eines Verlustvortrags reduziert oder neutralisiert wurde. Hierbei sollte es sich jedoch nicht um einen Fall der Nichtbesteuerung handeln. Denn tatsächlich wird der Übertragungsvorgang besteuert, es werden nur dessen Belastungswirkungen aufgrund der Verlustverrechnung abgemildert bzw. neutralisiert. Im Schrifttum wird auch vertreten, dass stille Reserven im transferierten Wirtschaftsgut oder Anteil grundsätzlich existieren müssen; sollte dies im Zeitpunkt der Übertragung oder Überführung nicht der Fall sein (z.B. Anteil an Komplementär-GmbH), sei § 50 i Abs. 1 nicht anwendbar.[7]

[Autor/Stand] Autor: Liekenbrock, Stand: 01.10.2017
[2] So auch Pohl in Blümich, § 50 i EStG Rz. 23 (Stand: April 2017); Gosch in Kirchhof16, § 50 i EStG Rz. 16.
[3] Pohl in Blümich, § 50 i EStG Rz. 24 (Stand: April 2017).
[4] Töben, IStR 2013, 682 (684).
[Autor/Stand] Autor: Liekenbrock, Stand: 01.10.2017
[6] BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258 – Tz. 2.3.3.2.
[7] Heinlein/Euchner, BB 2016, 795 (797); Bodden in Korn, § 50 i EStG Rz. 42.1 (Stand: März 2016).

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