Prof. Dr. Vassil Tcherveniachki
1. Betroffene Beziehungen und Gestaltungen (Satz 1)
"Die Absätze 1 bis 5 finden nur Anwendung, wenn der Tatbestand dieser Absätze zwischen nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes oder zwischen einem Unternehmen und seiner Betriebsstätte verwirklicht wird oder wenn eine strukturierte Gestaltung anzunehmen ist."
Rz. 25
Allgemeines. § 4k Abs. 6 Satz 1 EStG setzt Art. 2 Abs. 9 Unterabs. 2 Buchst. c ATAD um und legt den persönlichen Anwendungsbereich des § 4k EStG fest. Demnach finden die Regelungen des § 4k EStG auf
- Leistungsbeziehungen zwischen nahestehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG,
- anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen zwischen einem Unternehmen und seiner Betriebstätte sowie
- strukturierte Gestaltungen
Anwendung. Nach Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 2 Buchst. a ATAD ist zwar eine Begrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs auf verbundene Unternehmen mit einer Beteiligung von mindestens 50 % zulässig. Auch der Abschlussbericht der OECD zu BEPS-Aktionspunkt 2 sieht eine Mindestbeteiligung i.H.v. 50 % vor. Der Gesetzgeber hat allerdings das Wahlrecht nach Art. 3 ATAD ausgeübt und den Anwendungsbereich nach Maßgabe des Art. 2 Abs. 4 ATAD auf verbundene Unternehmen mit einer Mindestbeteiligung von 25 % der Stimmrechte oder 25 % Anteil am Kapital erweitert. Damit ist der persönliche Anwendungsbereich des § 4k EStG weiter gefasst als dies nach ATAD erforderlich gewesen wäre.
Rz. 26
Nahestehende Personen. Die Vorschrift stellt auf die Tatbestandsmerkmale für das Vorliegen von nahestehenden Personen gemäß § 1 Abs. 2 AStG ab. Insoweit wird auf die Kommentierung zu § 1 Abs. 2 AStG in Rz. 501 (§ 1 AStG Rz. 501) verwiesen.
Rz. 27
Betriebsstätten. Die Vorschrift findet auch auf anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte Anwendung. Die Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift auf Betriebsstätten soll insbesondere Besteuerungsinkongruenzen vor dem Hintergrund der abkommensrechtlich regelmäßig vereinbarten Freistellung von Betriebsstätteneinkünften verhindern. Hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen von anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen wird auf die Kommentierung zu § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG in Rz. 2749 ff. (§ 1 AStG Rz. 2749) verwiesen.
Rz. 28
Strukturierte Gestaltungen. Der Begriff der strukturierten Gestaltung wird in § 4k Abs. 6 Satz 3 EStG nach Maßgabe des Art. 2 Abs. 9 Unterabs. 2 Buchst. c i.V.m. Art. 2 Abs. 11 Halbs. 1 ATAD gesetzlich definiert (vgl. dazu Rz. 32).
2. Abgestimmtes Verhalten (Satz 2)
"Einer Person, die mit einer anderen Person durch abgestimmtes Verhalten zusammenwirkt, werden für Zwecke dieses Absatzes und der Absätze 1 bis 5 die Beteiligung, die Stimmrechte und die Gewinnbezugsrechte der anderen Person zugerechnet."
Rz. 29
Allgemeines. § 4k Abs. 6 Satz 2 EStG setzt Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 3 Buchst. b ATAD um. Demnach werden für Zwecke der Anwendung des § 4k Abs. 1 bis 5 EStG einer Person, die gemeinsam mit einer anderen Person handelt, die jeweiligen Merkmale der anderen Person zugerechnet. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen durch diese Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift Gestaltungen verhindert werden, indem Stimmrechts- oder Kapitalbeteiligungen auf verschiedene Personen verteilt werden, die einem gemeinsamen Handlungswillen unterliegen bzw. gleichgerichtete Interessen verfolgen. Damit erweitert § 4k Abs. 6 Satz 2 EStG den persönlichen Anwendungsbereich auch auf isoliert betrachtet kleinere Beteiligungen.
Rz. 30
Abgestimmtes Verhalten. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. In praktischer Hinsicht ist daher sehr problematisch, dass weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesbegründung Kriterien für das Vorliegen eines "abgestimmten Verhaltens" definieren. Kontroverse Diskussionen mit der Finanzverwaltung sind damit vorprogrammiert. Nach Art. 2 Nr. 4 Buchst. b ATAD liegt ein abgestimmtes Verhalten vor, wenn eine Person in Bezug auf die Stimmrechte oder Kapitalbeteiligung an einem Unternehmen – mithin auf Grundlage von Stimmrechtsbindungs- und/oder Konsortialverträgen (nicht aber nur einer entsprechenden Handhabung) – gemeinsam mit einer anderen Person handelt. Der Begriff "abgestimmtes Verhalten" ist ferner auch in § 7 Abs. 4 AStG i.d.F. ATADUmsG enthalten. In diesem Zusammenhang verweist die Gesetzesbegründung auf die Tatbestandsvoraussetzungen...