Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 11
Ausländische Gesellschaften mit gemischten Einkünften. § 9 enthält eine Freigrenzenregelung, deren Rechtsfolge die Hinzurechnung tatbestandsmäßig ausschließt. Die Vorschrift begründet deshalb keinen "steuerfreien" Hinzurechnungsbetrag und auch keinen allgemeinen Freibetrag, sondern sie lässt die Hinzurechnung tatbestandsmäßig entfallen. Der Regelung liegen Überlegungen zu einer Bagatellgrenze zugrunde, die der Vereinfachung des Steuerrechts dienen soll und keine Parallele in den §§ 7–15 hat. Der Anwendungsbereich von § 9 ist auf solche Gesellschaften begrenzt, die sämtliche Voraussetzungen der §§ 7 und 8 erfüllen, jedoch über sog. gemischte Einkünfte verfügen, dh., an der ausländischen Gesellschaft müssen Steuerinländer bzw. Personen i.S. von § 2 gem. § 7 Abs. 1 zu mehr als der Hälfte beteiligt sein; außerdem muss die ausländische Gesellschaft in erster Linie Einkünfte aus aktivem Erwerb und daneben niedrig besteuerte Zwischeneinkünfte aus passivem Erwerb erzielen. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben und erzielt die ausländische Gesellschaft ausschließlich oder ganz überwiegend Zwischeneinkünfte aus passivem Erwerb, so kann die Prüfung von § 9 ohne weiteres übergangen werden. Es ist in solchen Fällen kaum denkbar, dass die Freigrenze zum Tragen kommt. Bei der Abgrenzung zwischen Einkünften aus aktiven Tätigkeiten und passivem Erwerb ist die funktionale Betrachtungsweise zu beachten (vgl. § 8 AStG Anm. 31 ff.). Erzielt die ausländische Gesellschaft sowohl normale Zwischeneinkünfte i.S. des § 8 Abs. 1 als auch Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S. von § 7 Abs. 6 a (erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung), so sind die Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter in die Berechnung der Freigrenzen des § 9 einzubeziehen. Erzielt die ausländische Gesellschaft dagegen nur sog. Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S. von § 7 Abs. 6 a und sind an ihr keine Personen gem. § 7 Abs. 2, sondern nur solche gem. § 7 Abs. 6 Satz 1 beteiligt, so findet nur der dem § 9 nachgebildete § 7 Abs. 6 Satz 2 Anwendung. Zu einer Anwendung von § 9 kann es aus Gründen des § 7 Abs. 6 Satz 2 nicht kommen. § 9 gilt nur "für die Anwendung von § 7 Abs. 1" und nicht für die von § 7 Abs. 6. Die Anwendung des § 9 setzt also voraus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 erfüllt sind. Ggf. wird die Anwendung des § 7 Abs. 6 a verdrängt (vgl. § 7 AStG Anm. 8.7). Umgekehrt kann § 7 Abs. 6 a nur zur Anwendung kommen, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 nicht erfüllt sind. Die Freigrenzen des § 9 und des § 7 Abs. 6 Satz 2 können theoretisch additiv zur Anwendung kommen, wenn einerseits eine Beteiligung von Steuerinländern zu mehr als der Hälfte besteht und andererseits die Zwischengesellschaft nur Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter erzielt. In einem solchen Fall sollte die Regelung in § 7 Abs. 6 Satz 2 vorrangig anzuwenden sein.
Rz. 12
Freigrenzen und ihre Folgen. § 9 kreiert Freigrenzen, jedoch keine Freibeträge. Eine Milderungsregelung bei geringfügigem Überschreiten der Freigrenzen besteht nicht. Wird nur eine der Freigrenzen überschritten, dh. nicht eingehalten, so findet die Rechtsfolge des § 7 Abs. 1 auf die ungekürzten Einkünfte aus passivem Erwerb Anwendung. Werden dagegen alle Freigrenzen eingehalten, so werden rechtsfolgemäßig die Zwischeneinkünfte nur aus der Hinzurechnungsbesteuerung ausgeklammert, im Übrigen verlieren sie aber ihre Eigenschaft als Zwischeneinkünfte dadurch nicht. § 9 ähnelt insoweit § 13 aF. Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Bestimmungen ist allerdings der, dass die Ausklammerung von Zwischeneinkünften gem. § 9 unmittelbaren Einfluss auf den Begriff des Hinzurechnungsbetrages nimmt, während es sich bei § 13 aF um eine sachliche Steuerbefreiungsvorschrift handelte, die die Existenz von Zwischeneinkünften unberührt ließ. Diese Unterscheidung war vor allem für das Konkurrenzverhältnis der §§ 11–13 aF untereinander von wesentlicher Bedeutung, weil alle Bestimmungen an den Begriff des Hinzurechnungsbetragesanknüpften. Die Tatsache, dass die unter die Freigrenze des § 9 fallenden Einkünfte ihre Eigenschaft als Zwischeneinkünfte nicht verlieren, ist im Übrigen für die Möglichkeit des Verlustvortrages gem. § 10 Abs. 3 Satz 5 iVm. § 10 d EStG von Bedeutung (vgl. Anm. 42, 43). Bei der Höhe der Freigrenze hat sich der Gesetzgeber an dem damaligen Gesetzesverständnis des Ausdrucks "fast ausschließlich" orientiert.
Rz. 13
Getrennte Berechnung für jede Obergesellschaft. § 9 stellt auf Bruttoerträge ab (vgl. Anm. 25). Außerdem findet die Vorschrift unmittelbar nur auf die Bruttoerträge sog. ausländischer Obergesellschaften Anwendung. Daraus folgt als Grundsatz, dass die Freigrenzenberechnung gem. § 9 für jede Gesellschaft getrennt durchzuführen ist, auf die die Rechtsfolge des § 7 Abs. 1 im Übrigen anzuwenden ist. Eine andere Frage ist jedoch die, ob bei der Prüfung die Bruttoerträge von i.S. de...