Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
"(2) Familienstiftungen sind Stiftungen, ... ."
Rz. 161
Begriff "Familienstiftung". Unter die Zurechnungsvorschrift des § 15 fallen nur ausländische Familienstiftungen, einschl. jener Rechtsformen, welche in Abs. 2 und 3 der Familienstiftung gleichgestellt werden. § 15 Abs. 1 definiert, wann eine Familienstiftung als "ausländisch" gilt. § 15 Abs. 2 enthält für den Begriff der ausländischen Familienstiftung eine gesetzliche Definition, die im Wesentlichen dem § 12 StAnpG a.F. nachgebildet ist. Danach fallen unter die Bestimmung nur "Stiftungen".
Rz. 162
Begriff "Stiftung". § 15 Abs. 2 definiert den Begriff der "Familienstiftung" in dem er den Begriff der "Stiftung" voraussetzt. Dessen Auslegung hat der Gesetzgeber allein dem Rechtsanwender überlassen. Nach hergebrachter Auffassung wird eine Stiftung durch drei Elemente gekennzeichnet: den Stifterwillen, das Stiftungsvermögen und die Stiftungsorganisation. Dies gilt für die Stiftung des Privatrechts ebenso wie für jene des öffentlichen Rechts. Im Zweifel ist eine privatrechtliche Begriffsbildung maßgebend, weil öffentlich-rechtlichen Stiftungen i.d.R. die Eignung zur Familienstiftung fehlt. Der Bundesgesetzgeber hat mit Wirkung ab dem 1.7.2023 den Begriff der Stiftung im Zivilrecht durch § 80 Abs. 1 Satz 1 BGB i.d.F. des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes kodifiziert. Danach ist die Stiftung "eine mit einem Vermögen zur dauernden und nachhaltigen Erfüllung eines vom Stifter vorgegebenen Zwecks ausgestattete, mitgliederlose juristische Person." Die fragliche Rechtsform ist stets nach ausländischem Recht errichtet, da eine nach deutschem (Bundes- oder Landes-) Recht errichtete Stiftung Sitz und Geschäftsleitung, anders als von § 15 gefordert, nicht im Ausland haben kann. Daher muss die fragliche ausländische Rechtsform anhand ihrer durch das ausländische Recht geprägten Strukturmerkmale einem Rechtstypenvergleich mit einer Stiftung des deutschen Privatrechts unterzogen werden. Auf die Bezeichnung kommt es nicht an. Besteht Vergleichbarkeit, handelt es sich um eine "Stiftung".
Rz. 163
Elemente des Rechtstypenvergleichs. Der Rechtsvergleich muss sich auf die in der vorstehenden Rz. genannten drei Kernelelemente des Rechtstyps Stiftung (Stiftungszweck, Stiftungsvermögen und Stiftungsorganisation) erstrecken. Teile der Literatur – einschließlich der Vorkommentierung – verlangen, dass Bezugs- und/oder Anfallsberechtigte bestimmt sind bzw. zumindest denkbar sein müssen. Diese Meinung läuft im Ergebnis darauf hinaus, nur Stiftungen mit bestimmten privatnützigen Stiftungszwecken als Stiftungen i.S.v. § 15 zu qualifizieren. Dies ist abzulehnen. Eine luxemburgische Fondation ist eine Stiftung i.S.v. § 15. Nur kann sie niemals Familienstiftung i.S.v. § 15 Abs. 2 sein, da sie nur gemeinwohlorientierte Zwecke verfolgen darf. Von großer praktischer Bedeutung ist die Frage nach der Schädlichkeit der körperschaftlichen Struktur. Eine nach deutschem Privatrecht errichtete Stiftung ist kein Personenverband und kennt somit keine Mitglieder. Fehlt es dem ausländischen Rechtsträger in vergleichbarer Weise an einer mitgliedschaftlichen Verfassung, ist dies ein starkes Indiz für die Annahme einer ausländischen Stiftung. Ein Rechtsträger kann jedoch auch dann Stiftung sein, wenn er mitgliedschaftlich verfasst ist, aber die übrigen Merkmale einer Stiftung erfüllt sind, d.h. insb., dass die historische Zwecksetzung des Stifters nicht zur Disposition bei der Mitgliederentscheidung steht. Ausländische Rechtsformen, die Gesellschaften, insb. Kapitalgesellschaften vergleichbar sind, sind keine Stiftungen, auch wenn sie vergleichbare Funktionen wie Familienstiftungen ausüben. Diese Körperschaften werden vom wandelbaren Willen der Mitglieder getragen und sind in jeder Hinsicht von ihnen abhängig. In der Stiftung verselbständigt sich der Stiftungszweck und wird sozusagen unsterblich. Ausländische Personengesellschaften sind keine Stiftungen, auch wenn sie vergleichbare Aufgaben wahrnehmen. Denn für sie gilt nach deutschem Steuerrecht das Transparenzprinzip, was die Anwendung von § 15 ausschließt. Die Rechtsfähigkeit der ausländischen Rechtsform ist nicht Voraussetzung. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG belegt, dass es nichtrechtsfähige Personenvereinigungen und Vermögensmassen gibt, die dennoch als Steuerpflichtigen zu behandeln sind. Im Rahmen des § 15 kommt hinzu, dass die Familienstiftung eine nach ausländischem Recht gegründete Person ist. Die ausländischen Rechtsordnungen können aber die Rechtsfähigkeit sehr unterschiedlich geregelt haben. Darauf kann das deutsche Steuerrecht nicht abstellen.
"(2) ... bei denen der Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge zu mehr als der Hälfte bezugsberechtigt oder anfallsberechtigt sind."
Rz. 164
Stifter, seine Angehörigen und/oder Abkömmlinge. Wegen des Begriffs des Stifters wird auf Rz. 116 verwiesen. Der Begriff der Ang...