Rz. 17
Grundsatz des Quellensteuerabzugs. § 50d Abs. 1 Satz 1 statuiert den Grundsatz, dass der Quellensteuerabzug ungeachtet dessen erfolgt, ob ein Anspruch auf Steuerfreistellung oder -reduzierung gem. § 43b, des § 50g EStG oder eines DBA besteht. Dieser Anspruch ist nach dem Willen des Gesetzgebers im Wege eines sich dem Quellensteuerabzug anschließenden Erstattungsverfahrens geltend zu machen. Rechtsgrundlage der Erstattung ist der Erlass eines Freistellungsbescheids (s. hierzu Anm. 133; 26 ff.).
Rz. 18
Zweck des Quellensteuerabzugs. Der Zweck der Vorschrift besteht darin, dass der Steueranspruch gesichert werden soll. Außerdem soll das Steuerabzugsverfahren von der Prüfung internationaler Sachverhalte freigehalten und damit vereinfacht werden.
Rz. 19
Ausnahme: Freistellungsbescheinigung. Von dem Grundsatz des Quellensteuerabzugs bestehen nur wenige Ausnahmen. Die wichtigste bildet die Beantragung einer Freistellungsbescheinigung gem. § 50d Abs. 2 Satz 1. Liegt eine solche Freistellungsbescheinigung vor, kann der Vergütungsschuldner den Steuerabzug unterlassen.
Rz. 20
Ausnahme: Kontrollmeldeverfahren. Eine weitere Ausnahme bildet das Kontrollmeldeverfahren gem. § 50d Abs. 5. Hiernach kann das Bundeszentralamt für Steuern – abweichend von Abs. 2 – in den Fällen des § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG den Schuldner der Vergütung auf Antrag allgemein ermächtigen, den Steuerabzug zu unterlassen oder nach einem niedrigeren Steuersatz vorzunehmen (§ 50d Abs. 5 Satz 1). Die Ermächtigung kann in Fällen geringer steuerlicher Bedeutung erteilt und mit Auflagen verbunden werden (§ 50d Abs. 5 Satz 2).
Rz. 21
Liquiditätsvorteil und Ausschluss nach Steuerabzug. Sowohl das Freistellungsverfahren als auch das Kontrollmeldeverfahren haben somit für den Vergütungsgläubiger einen Liquiditätsvorteil, da der Steuerabzug vermieden wird. Soweit jedoch der Steuerabzug bereits erfolgt ist, wirken beide Verfahren grundsätzlich nicht zurück (zu den Wirkungen einer nachträglichen Erteilung einer Freistellungsbescheinigung s. Anm. 298 ff.).
Rz. 22
Optionale Veranlagung. In den Fällen des § 50a Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 EStG besteht gem. § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EStG optional auch die Möglichkeit, einen Antrag auf die Durchführung einer Veranlagung zu stellen.
Rz. 23
Sonderregelung des § 44a Abs. 9 EStG. Besonderheiten ergeben sich auch aus § 44a EStG. Ist der Gläubiger der Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 EStG eine beschränkt steuerpflichtige Körperschaft i.S.d. § 2 Nr. 1 KStG, so werden zwei Fünftel der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer erstattet (§ 44a Abs. 9 Satz 1 EStG). Der Sinn und Zweck dieser Regelung besteht darin, Kapitalertragsteuer in unionsrechtskonformer Weise auf das inländische Körperschaftsteuerniveau i.H.v. 15 % zu reduzieren. § 50d Abs. 1 Sätze 3–12, Abs. 3 und 4 sind entsprechend anzuwenden (§ 44a Abs. 9 Satz 2 EStG). Insoweit kommt es nicht auf die Voraussetzungen eines DBA oder von § 43b EStG an. Der Anspruch auf eine weitergehende Freistellung und Erstattung nach § 50d Abs. 1 i.V.m. § 43b oder § 50g EStG oder nach einem DBA bleibt dabei unberührt (§ 44a Abs. 9 Satz 3 EStG).
Rz. 24
Sonderregelung des § 44a Abs. 5 EStG. Eine Ausnahme vom Grundsatz des Quellensteuerabzugs besteht auch gem. § 44a Abs. 5 Satz 1 EStG. Bei Kapitalerträgen i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5–7 und 8–12 sowie Satz 2 EStG, die einem unbeschränkt oder beschränkt einkommensteuerpflichtigen Gläubiger zufließen, ist der Steuerabzug hiernach nicht vorzunehmen, wenn die Kapitalerträge Betriebseinnahmen des Gläubigers sind und die Kapitalertragsteuer bei ihm aufgrund der Art seiner Geschäfte auf Dauer höher wäre als die gesamte festzusetzende Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer.
Rz. 25
Haftungsbescheid. Unterlässt der Vergütungsschuldner pflichtwidrigerweise den Steuerabzug, so wird dieser in der Regel bei ihm durch Haftungsbescheid i.S.d. §§ 191 AO nachgefordert (§§ 44 Abs. 5 Satz 1, 50a Abs. 5 Satz 5 EStG). Dabei kann sich der Schuldner der Kapitalerträge oder Vergütungen nicht auf die Rechte des Gläubigers aus dem Abkommen, also insbesondere nicht auf einen hieraus resultierenden Anspruch des Vergütungsgläubigers auf Entlastung, berufen (§ 50d Abs. 1 Satz 13, s. hierzu Anm. 204).