Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
(1) Beantragt ...
Rz. 16
Der Begriff "beantragt" kann nicht i.S. eines förmlichen Antrags auf Absetzung bestimmter Betriebsausgaben, Werbungskosten, Schulden oder sonstiger Posten verstanden werden. Richtigerweise ist unter "beantragen" das bloße Geltendmachen irgendwelcher Abzugsbeträge zu fassen. Dabei setzt ein Geltendmachen nicht ein irgendwie gesondertes Verfahren oder eine entsprechende Kontaktaufnahme voraus. Unter Geltendmachen ist im weitesten Sinne jedes Verhalten des Steuerpflichtigen gegenüber dem FA zu verstehen, aus dem sich ergibt, dass der Steuerpflichtigen einen Abzug begehrt. Das Begehren kann mündlich, schriftlich oder aber auch durch konkludente Handlung vorgetragen werden. Es setzt aber in jedem Fall eine Handlung des Steuerpflichtigen gegenüber dem FA voraus. Das reine Nichtinkontakttreten mit dem FA kann dagegen kein Beantragen im Sinne der Norm sein. Typischerweise drückt sich das Begehren eines Steuerpflichtigen dadurch aus, dass Betriebsausgaben, Schulden o.Ä. die Höhe der erklärten Einkünfte oder des Vermögens beeinflussen. Dabei müssen die erklärten Einkünfte die Einnahmen des Steuerpflichtigen und das erklärte Gesamtvermögen das Rohvermögen des Steuerpflichtigen unterschreiten; die Differenz darf nicht auf irgendwelche Freibeträge zurückzuführen sein. Es reicht aus, wenn der Steuerpflichtigen in der Steuererklärung einen einzigen Betrag angibt, der das Ergebnis der Gegenüberstellung von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, von Einnahmen und Werbungskosten oder von positivem Vermögen und Schulden darstellt. Die Vorlage der Ermittlung selbst, die in einer Bilanz, einer Gewinn- und Verlustrechnung, Einnahme-Überschussrechnung, Vermögensaufstellung oder in einer anderen Anlage bestehen kann, ist nicht erforderlich. Die abgesetzten Beträge müssen weder einzeln noch in einer Summe dem FA benannt werden. Es ist nicht notwendig, dass sich das Begehren unmittelbar aus der Steuererklärung ergibt; es kann sich ebenso um einen Nachtrag handeln. Das Begehren kann auch im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens verspätet geltend gemacht werden. Ein Begehren, das nach Abschluss der letzten Tatsacheninstanz gestellt wird, muss allerdings aus prozessualen Gründen unberücksichtigt bleiben.
Rz. 17
Schätzt das FA die Besteuerungsgrundlagen, weil der Steuerpflichtige z.B. keine Erklärung abgegeben oder keine Aufzeichnungen geführt hat, so ist § 16 nur insoweit zu beachten, als aus dem Verhalten des Steuerpflichtigen der entsprechende Wille zur Berücksichtigung bestimmter steuermindernder Tatsachen erkennbar ist. Sofern der Steuerpflichtige aber keinerlei Kontakt mit dem FA aufgenommen hat, kann das Abzugsverbot des § 16 richtiger Weise nicht zum Zuge kommen, weil es am Beantragen fehlt. Dies wäre beispielsweise bei Nichtabgabe einer Steuererklärung der Fall, wenn das Abzugsbegehren des Steuerpflichtigen auch nicht aus anderen Umständen erkennbar wird. Zudem wird es in der Regel auch an den übrigen Voraussetzungen der Vorschrift fehlen. Anders ist es dagegen möglicherweise bei einer Schätzung wegen Unsicherheit über einzelne Besteuerungsgrundlagen. Hier ist anhand des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden, ob der Steuerpflichtige den Abzug von Beträgen begehrt. Die Anwendung der Norm dürfte jedenfalls dann nicht ausgeschlossen sein, wenn das FA dem Steuerpflichtigen die im Zuge der Schätzung grundsätzlich zu berücksichtigenden Absetzungsbeträge zur Kenntnis gibt. Denn dann hat er die Möglichkeit, die Anwendung des § 16 durch Mitwirkung abzuwenden.