Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 5
§ 16 ist seiner Natur nach eine allgemeine Verfahrensvorschrift, die § 160 AO für Auslandsbeziehungen konkretisiert, indem sie zusätzlich Anforderungen aufstellt. Rechtsfolgemäßig verweist die Vorschrift uneingeschränkt auf § 160 AO. Sie ist daher nur in Zusammenschau mit § 160 AO verständlich.
Rz. 6
Abzugsverbot für steuermindernde Tatsachen. § 160 AO enthält ein materiell-rechtlich wirkendes und in das (doppelte) Ermessen des zuständigen FA gestelltes Abzugsverbot für steuermindernde Tatsachen. Dieses greift immer dann, wenn der Steuerpflichtige Gläubiger oder Empfänger einer solchen Leistung auf Verlangen des FA nicht genau benennt. Der genaue Zweck des § 160 AO ist in der Literatur umstritten. Während die h.M. davon ausgeht, dass die Norm inländische Steuerausfälle beim Geschäftspartner verhindern will und damit letztlich eine Art Gefährdungshaftung normiert wird zum Teil auch vertreten, es handele sich um eine reine Beweislastvorschrift. Letztlich kann eine Entscheidung dieses Meinungsstreits hier für Zwecke des § 16 dahinstehen. Denn § 16 AStG modifiziert nicht die Rechtsfolgen des § 160 AO, sondern erweitert lediglich den Anwendungsbereich der Norm auf bestimmte Auslandssachverhalte.
Rz. 7
Praktischer Anwendungsbereich. Auch wenn der Anwendungsbereich des § 16 keineswegs auf das Ertragsteuerrecht begrenzt ist, findet die Norm – wenn überhaupt – insbesondere dort Anwendung. In der Praxis ist ihre tatsächliche Anwendung allerdings ausgesprochen selten. Die Vorschrift soll inländische Steuerausfälle bei Zahlungen ins niedrig besteuerte Ausland verhindern. Dabei muss der ausländische Geschäftspartner dem Steuerpflichtigen nicht nahestehen. Dennoch greift die Vorschrift auch dann, wenn der Steuerinländer Gewinne und Vermögen auf im Ausland ansässige nahestehende Personen verlagert.
Rz. 8
Systematische Zugehörigkeit zum Abgabenrecht. Im Kern weitet § 16 den Anwendungsbereich des § 160 AO insoweit aus, als er zur genauen Gläubiger- oder Empfängerbenennung vorschreibt, dass der Steuerpflichtigen alle Beziehungen offenlegt, die unmittelbar oder mittelbar zwischen ihm und einer unwesentlich besteuerten ausländischen Gesellschaft oder Person bestehen bzw. bestanden haben. Die verwendeten Begriffe "Betriebsausgaben", "Werbungskosten", "Schulden und andere Lasten" belegen, dass die Vorschrift einerseits auf sämtliche Einkunftsarten und andererseits z.B. auch auf die Erbschaftsteuer Anwendung findet. Systematisch ist die Platzierung der Norm nicht geglückt. Der Gesetzgeber hätte die Regelung besser in der AO, hinter oder als weiteren Absatz des § 160 AO oder hinter § 90 AO platzieren sollen. Denn dort werden dem Steuerpflichtigen (erweiterte) Mitwirkungspflichten aufgebürdet. Er muss Auskunft über den der Besteuerung zugrunde zu legenden Sachverhalt geben (§§ 90 Abs. 3 und 4, 93, 97, 200 AO). Er muss zusätzlich die erforderlichen Beweismittel beschaffen, soweit dies "nach Lage des Falles" möglich ist oder war (§ 90 Abs. 2 AO).
Rz. 9
Die sich aus § 16 ergebenden praktischen Schwierigkeiten dürfen nicht unterschätzt werden. Der Steuerpflichtigen, der die Absetzung von Aufwendungen oder Verpflichtungen begehrt, wird i.d.R. den Tatbestand der unwesentlichen Besteuerung seines ausländischen Geschäftspartners gar nicht erkennen können bzw., wenn er ihn erkennt, keine Veranlassung haben, ihn dem FA nachzuweisen. Das FA wird seinerseits den Tatbestand der unwesentlichen Besteuerung im Ausland eher vermuten als nachweisen können. Sollte dem FA im Einzelfall der Nachweis möglich sein (z.B. weil die ausländische Gesellschaft gleichzeitig Zwischengesellschaft ist), so wird das FA wegen des Steuergeheimnisses i.d.R. von dem Nachweis keinen Gebrauch machen können. Von Bedeutung ist auch die Rückwirkung, die § 16 z.B. auf die Auslegung von § 90 Abs. 2 AO haben muss. Da § 16 die Ausweitung von § 160 AO ausdrücklich nur auf solche Geschäftsbeziehungen einschränkt, die eine Person zu unwesentlich besteuerten ausländischen Gesellschaften unterhält, wird eine entsprechende Anwendung von § 160 AO in allen anderen Fällen nicht in Betracht kommen. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen ein Steuerpflichtigen wohl den Empfänger von Zuwendungen i.S. von § 160 AO nennt, nicht aber seinen Verpflichtungen nach § 90 Abs. 2 AO nachkommt. Im Übrigen wird man zur Auslegung der Bestimmung weitgehend auf die zu § 160 AO entwickelten Grundsätze zurückgreifen können.