Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 10
Unionsrecht. Der Anwendungsbereich des § 16 dürfte durch den Anwendungsvorrang des Unionsrechts stark eingeschränkt sein. Soweit § 16 für Geschäftsbeziehungen zu niedrig besteuerten EU/EWR-ausländischen Geschäftspartnern höhere Anforderungen stellt, als an inländische Geschäftsbeziehungen, wäre von einer Ungleichbehandlung auszugehen, die schwerlich zu rechtfertigen wäre. Steuerpflichtige werden durch § 16 von einer Zusammenarbeit mit (niedrig besteuerten) Geschäftspartnern im EU-Ausland abgehalten, weil sie administrativen Lasten unterworfen werden, die sie bei inländischen Geschäftspartnern nicht zu gewärtigen hätten. Da § 16 nur im Fall von ausländischen Geschäftsbeziehungen Anwendung findet, ist ein Anknüpfungspunkt für eine Einschränkung des Rechts auf freien Warenverkehr, auf freien Kapitalverkehr und die Niederlassungsfreiheit gegeben, denn durch das Benennungsverlangen wird der grenzüberschreitende Geschäftsverkehr mittelbar beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass § 16 wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unionsrechtskonform so auszulegen ist, dass er für EU-Sachverhalte keine im Vergleich zu §§ 90, 160 AO schärferen Anforderungen aufstellt.
Rz. 11
Mitwirkungspflichten der AO. § 16 AStG steht insbesondere in engem Zusammenhang mit den Mitwirkungspflichten der AO. Die Vorschrift hat auf der einen Seite natürlich die Ausweitung des § 160 AO zum Gegenstand (s.o. Rz. 8); auf der anderen Seite ergeben sich aber auch Überschneidungen und Konkurrenzfragen zu den §§ 90 und 93 AO.
Rz. 12
Verhältnis zu § 160 AO. Nach h.A. stellt § 160 AO eine Art Gefährdungshaftung dar, die darauf ausgerichtet ist, Steuerausfälle zu vermeiden. Steuerausfälle drohen, wenn die von einem Steuerpflichtigen an einen anderen geleisteten Zahlungen bzw. Schulden bei dem anderen steuerlich nicht erfasst werden. Durch die Rechtsfolge des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO muss der Steuerpflichtige letztlich für diese drohenden Steuerausfälle einstehen, wenn er Gläubiger oder Empfänger nicht genau bezeichnen kann oder will. Im Rahmen des § 160 AO kann deshalb das FA auch dann die Benennung von Gläubiger oder Empfänger verlangen, wenn unzweifelhaft ist, dass die Last oder Ausgabe tatsächlich in der geltend gemachten Höhe entstanden ist. Andererseits entfiel bisher die Anwendung von § 160 AO, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden konnte, dass keine Steuerausfälle drohten. Dem entsprach die bisherige Verwaltungspraxis, die zwischen Zahlungen an Inländer und Ausländer unterschied. Soweit z.B. Ausländer Empfänger von Schmiergeldern waren, wurde bei zuverlässigen Steuerpflichtigen, die Auslandsgeschäfte betrieben, auf die Namensnennung verzichtet, wenn sichergestellt war, dass solche Gelder tatsächlich an einen Ausländer gezahlt wurden und ihre Höhe in einem angemessenen Verhältnis zum gesamten Auslandsumsatz stand. Diese Verwaltungspraxis wurde mit dem Hinweis gerechtfertigt, es sei nicht Aufgabe der deutschen Finanzverwaltung, die Besteuerung von Ausländern im Ausland sicherzustellen. Die vor Inkrafttreten des § 16 geltenden Grundsätze werden durch die Vorschrift nicht aufgegeben, sondern lediglich für einen ganz bestimmten und durch das Merkmal der unwesentlichen Besteuerung eingeengten Bereich eingeschränkt. Man muss auch insoweit § 16 als im Vorfeld von § 1 gelegen verstehen. § 16 will ebenso wenig wie § 160 AO die Besteuerung von Vermögen und Einkünften im Ausland sicherstellen. Vielmehr verfolgt § 16 – wie auch § 160 AO – das gesetzgeberische Ziel, unzulässige Gewinn- und Vermögensverlagerungen ins Ausland zu verhindern. § 16 versteht sich deshalb ebenso wie § 160 AO als eine Vorschrift, die dem Schutz vor inländischen Steuerausfällen dient. In diesem Sinne kann auch im Rahmen von § 16 von einer Gefährdungshaftung gesprochen werden, die dann einsetzt, wenn die Gefahr unzulässiger Gewinn- oder Vermögensverlagerungen ins Ausland besteht. Eine solche Gefahr nimmt der Gesetzgeber in der Form einer unwiderlegbaren Vermutung nur dann an, wenn eine Gewinn- oder Vermögensverlagerung in das "unwesentlich besteuernde" Ausland zur Diskussion steht. Der Gesetzgeber hat also bewusst nur Extremfälle ins Auge gefasst, in denen die Gefahr von Steuerausfällen als besonders naheliegend angesehen werden muss.
Rz. 13
Verhältnis zu §§ 90, 93 AO und den weiteren Mitwirkungspflichten der AO. Grundsätzlich hat das FA den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Insbesondere die §§ 90 und 93 AO begründen jedoch Mitwirkungs- und Auskunftspflichten des Steuerpflichtigen bei Auslandssachverhalten, weil die Ermittlungsmöglichkeiten des FA in diesen Fällen eingeschränkt sein können. Zwischen §§ 90, 93 AO und § 16 bestehen daher Konkurrenzen. Die Vorschriften können jedoch nebeneinander anwendbar sein. Dies kann bereits aus den unterschiedlichen Zielrichtungen der Normen und den Rechtsfolgen abgeleitet werden. Während die §§ 90 und 93 AO bei Nichtauf...