Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
(3) [1] Für eine Betriebsstätte ist zum Beginn eines Wirtschaftsjahres eine Hilfs- und Nebenrechnung aufzustellen, während des Wirtschaftsjahres fortzuschreiben und zum Ende des Wirtschaftsjahres abzuschließen.
Rz. 2981
Pflicht zur Aufstellung. Nach § 3 Abs. 1 BsGaV ist für jede Betriebsstätte zu Beginn des Wirtschaftsjahrs eine Hilfs- und Nebenrechnung aufzustellen. Diese ist während des Wirtschaftsjahrs fortzuschreiben und am Ende des Wirtschaftsjahrs abzuschließen. Aus dem Ergebnis der Hilfs- und Nebenrechnung wird der für Zwecke der Anwendung des § 1 Abs. 5 heranzuziehende Gewinn oder Verlust der Betriebsstätte abgeleitet (Anm. 2986, 2828). Die Hilfs- und Nebenrechnung ist das konkrete Instrument zur Umsetzung der uneingeschränkten Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion des AOA. Fraglich ist, ob sich der Anwendungsbereich der Escape-Klausel des § 1 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2, die eine Abweichung vom Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsgrundsatz erlaubt, wenn die "Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Unternehmen [..] eine andere Behandlung [erfordert]" (Anm. 2883), auch auf die Hilfs- und Nebenrechnung selbst erstreckt und im Einzelfall eine Nichtaufstellung rechtfertigen kann. Nach Ansicht der Finanzverwaltung soll sich die Anwendung des § 1 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 auf bestimmte, in der BsGaV konkret geregelte Abweichungen vom Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsgrundsatz beschränken (dazu Anm. 2883); eine generelle Nichtanwendung des AOA mit der Folge der nicht mehr erforderlichen Hilfs- und Nebenrechnung wäre dann ausgeschlossen. Dies schließt jedoch nicht aus, dass in Einzelfällen die Aufstellung einer Hilfs- und Nebenrechnung nicht erforderlich ist. Generell ist fraglich, ob die umfangreichen, sich aus § 3 BsGaV ergebenden faktischen Bilanzierungsvorschriften überhaupt durch den Ermächtigungsrahmen des § 1 Abs. 6 gedeckt sind oder nicht vielmehr in den §§ 140 ff. AO hätten geregelt werden müssen (Anm. 2985). Die Finanzbehörden können im Einzelfall Erleichterungen i.S.d. § 148 AO im Hinblick auf die grundsätzlich bestehenden Buchführungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten bewilligen.
Zweck der Hilfs- und Nebenrechnung ist die Ermittlung des jeweiligen Betriebsstättenergebnisses, das der deutschen Besteuerung zugrunde gelegt wird (Anm. 2986). Zum Umfang der Hilfs- und Nebenrechnung s. Anm. 2989. Grundsätzlich ist nach dem Wortlaut von § 3 Abs. 1 Satz 1 BsGaV ("für eine Betriebsstätte ...") für jede Betriebsstätte eine eigene Hilfs- und Nebenrechnung aufzustellen. Die Finanzverwaltung beanstandet es jedoch nicht, wenn für mehrere Betriebsstätten desselben Unternehmens, die sich im selben Staat befinden, eine zusammengefasste Hilfs- und Nebenrechnung erstellt wird. Dies gilt lediglich dann nicht, wenn eine betriebsstättenbezogene Einkünfteermittlung erforderlich ist, weil steuerliche Vorschriften an diese unmittelbar anknüpfen (z.B. § 2a EStG, DBA) oder eine Bau- und Montagebetriebsstätte oder eine Förderbetriebsstätte betroffen ist.
Für eine inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens ist nur dann eine Hilfs- und Nebenrechnung aufzustellen ist, wenn eine Besteuerung in Deutschland nicht bereits dem Grunde nach durch ein DBA ausgeschlossen ist. Die Verordnungsbegründung geht in diesem Fall von einer grundsätzlichen Nichtanwendbarkeit der BsGaV aus (Anm. 2823, 2924), was auch die Vorschriften zur Erstellung einer Hilfs- und Nebenrechnung umfasst. Dies ist etwa gegeben, wenn lediglich eine inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens i.S.d. § 12 AO, nicht aber eine solche i.S.d. jeweils anwendbaren DBA vorliegt (z.B. inländische Bau- oder Montagetätigkeit mit einer Dauer über mehr als sechs, aber weniger als zwölf Monate, wenn das anzuwendende DBA eine Art. 5 Abs. 3 OECD-MA nachgebildete Vorschrift enthält). Nach Ansicht der Finanzverwaltung soll dies auch im umgekehrten Fall einer ausländischen Nur-§ 12-AO-Betriebsstätte eines inländischen Unternehmens gelten (zur Kritik an dieser Rechtsauffassung: Anm. 2823).
Vergleichbar ist der Fall, in dem zwar eine abkommensrechtliche inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens vorliegt, eine inländische Besteuerung aufgrund einer Art. 8 OECD-MA (Seeschiff-/Binnenschiff-/Luftfahrt) nachgebildeten DBA-Regelung jedoch ausscheidet. Die Aufstellung einer Hilfs- und Nebenrechnung ist dann verzichtbar. Zur Feststellung, ob neben den DBA-rechtlichen Freistellung unterfallenden Einkünften auch andere inländische Einkünfte erzielt werden, die keine Nebeneinkünfte sind, sind in diesem Fall allerdings die der Betriebsstätte zuzuordnenden Personalfunktionen offenzulegen.
Rz. 2982
Geltung allgemeiner Buchführungsgrundsätze. Soweit die BsGaV nichts Abweichendes regelt, kommen für die konkrete Führung der Hilfs- und Nebenrechnung die allgemeinen deutsch-steuerlichen Buchführungsgrundsätze zur Anwendung. Dies bedeutet insbesondere auch die Berücksichtigung der Gr...