Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
[2] Steuerpflichtiger im Sinne dieser Vorschrift sowie im Sinne des § 1a ist auch eine Personengesellschaft oder eine Mitunternehmerschaft; ...
Rz. 221
Personengesellschaften/Mitunternehmerschaften als Steuerpflichtige i.S. des § 1. Da § 1 eine Einkünfteminderung voraussetzt, bezieht sich der in § 1 Abs. 1 Satz 1 verwendete Begriff "Steuerpflichtiger" nur auf Personen, die selbst einer Ertragsteuerpflicht in Deutschland unterliegen. Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften können zwar Einkünfteerzielungssubjekte sein. Sie sind aber nicht mit den von ihnen erzielten Einkünften steuerpflichtig, weshalb bei ihnen keine geminderten Einkünfte angesetzt werden können. Personengesellschaften und Mitunternehmer sind daher nicht ohne Weiteres vom Begriff "Steuerpflichtiger", wie er in § 1 Abs. 1 Satz 1 verwendet wird, erfasst. Zu beachten ist allerdings, dass § 1 Abs. 1 durch das AmtshilfeRLUmsG mit Wirkung ab dem VZ 2013 um einen Satz 2 ergänzt wurde, wonach Steuerpflichtige i.S.d. § 1 auch Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften sind. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine Fiktion, die i.S. einer Ausdehnung des Begriffs über seinen an sich engeren Inhalt hinaus zu verstehen ist. Die Vorschrift betrifft insbesondere Sachverhalte, in denen eine inländische Personengesellschaft oder Mitunternehmerschaft an einer ausländischen nahestehende Person (z.B. Tochter-Kapitalgesellschaft) beteiligt ist und zwischen beiden Gesellschaften zulasten der inländischen Personengesellschaft unangemessene Verrechnungspreise vereinbart werden. Hier ist – zumindest für VZ ab 2013 – unzweifelhaft, dass der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 eröffnet ist. Der BFH geht in seinem Urteil v. 27.2.2019 für das Streitjahr 2007 davon aus, dass im entschiedenen Sachverhalt im Hinblick auf Forderungen aus Lieferungen und Leistungen einer inländischen KG an ihre in China ansässige Tochtergesellschaft § 1 Abs. 1 einschlägig sein kann. Die Frage, ob die Vorschrift bei Personengesellschaften überhaupt anwendbar ist, wurde im Urteil aber nicht diskutiert. Dies überrascht insofern, als der BFH in seiner Entscheidung v. 17.12.1997 davon ausgegangen ist, dass eine Personengesellschaft nicht Steuerpflichtiger i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 (auch dieser Sachverhalt betraf die alte Rechtslage) sein kann.
Rz. 222
Auswirkungen von § 1 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz. Es stellt sich die Frage, welche materielle Rechtsänderung durch die Einfügung von § 1 Abs. 1 Satz 2 ab dem VZ 2013 eingetreten ist. Geht man mit der hier vertretenen Ansicht davon aus, dass der Begriff "Steuerpflichtiger", wie er in § 1 Abs. 1 Satz 1 verwendet wird, infolge der Einfügung des § 1 Abs. 1 Satz 2 qua Fiktion erweitert wurde, und dass eine Personengesellschaft nicht Steuerpflichtiger i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 sein kann, dann ist mit der Einfügung von § 1 Abs. 1 Satz 2 eine Auswirkung verbunden. M.a.W. macht es einen Unterschied, ob man die Mitunternehmer (Personengesellschafter) oder die Mitunternehmerschaft (Personengesellschaft) als Steuerpflichtigen versteht, was das folgende Beispiel zu verdeutlichen vermag.
Beispiel
Die unbeschränkt stpfl. A und B sind zu 75% bzw. zu 25% an der A-OHG beteiligt. Die A-OHG unterhält Geschäftsbeziehungen zu dem Steuerausländer X, der nur dem A nahesteht. Vor 2013 konnte nur der Gewinnanteil des A, nicht aber auch der des B gem. § 1 korrigiert werden. Seit 201 gilt die Personengesellschaft selbst als Stpfl., wenn ein Nahestehen ihr gegenüber festgestellt wird. Die Rechtsfolge des § 1 löst eine Korrektur des gesamten von der Personengesellschaft erzielten Gewinns aus. In dem Beispielsfall kommt es bei Anwendung von § 1 Abs. 1 Satz 2 nur darauf an, ob der Steuerausländer X auch der A-OHG nahesteht. Die Tatsache, dass X dem A nahesteht, bedeutet nicht zugleich, dass er auch der A-OHG nahesteht.
Das Beispiel sollte deutlich machen, dass sich die Einkünfteminderung seit 2013 einerseits auch auf Personengesellschaften beziehen kann, die selbst nicht einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig sind. Andererseits ist ein Konkurrenzverhältnis zwischen den Sätzen 1 und 2 entstanden. Es sind Fälle denkbar, in denen die Voraussetzungen des Satzes 1, nicht jedoch jene des Satzes 2 erfüllt sind (und umgekehrt). Auch der Umfang der Einkünftekorrektur ist nach den Sätzen 1 und 2 ein jeweils anderer. Im Ergebnis wird man die Sätze 1 und 2 als selbstständige Rechtsgrundlagen für eine Einkünftekorrektur verstehen müssen, die unabhängig voneinander in einem ggf. unterschiedlichen Umfang anzuwenden sind. Dies gilt auch dann, wenn man an eine inländische Mitunternehmerschaft denkt, an der eine im Ausland unbeschränkt steuerpflichtige Person beteiligt ist. Bei einer ausländischen Mitunternehmerschaft, an der eine im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Person beteiligt ist, wird es i.d.R. an einer Geschäftsbeziehung zum Ausland fehlen (s.u.). Allerdings darf die gleichzeitige Anwendung der Sätze 1 und 2 nicht zu eine...