Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
... der Gläubiger ...
Rz. 62
Unter dem Begriff "Gläubiger" ist bei wörtlicher Auslegung die Person zu verstehen, die an einem Schuldverhältnis beteiligt ist und aus dem Schuldverhältnis Rechte herleitet. Kennzeichnend für die Gläubigerposition ist eine "Forderung"; das ist der schuldrechtliche Anspruch des Gläubigers, der sich gegen einen bestimmten Schuldner richtet. Ausgehend von dieser rein zivilrechtlichen Definition bezieht sich der Gläubigerbegriff sowohl auf das Ertragsteuer- als auch auf das Vermögensteuerrecht. Bis Ende 1976 bestand Unklarheit über den Inhalt des Gläubigerbegriffes wegen der differenzierenden Fassung des § 205a Abs. 1 und 2 RAO. Die Unklarheiten sind durch § 160 Abs. 1 AO behoben. Unter den Begriff "Gläubiger" ist nunmehr eindeutig jede Person zu fassen, die Inhaber einer Forderung im vermögensteuerlichen Sinne gegen einen Steuerpflichtigen ist, z.B. bei einem Darlehen der Darlehensgläubiger, bei einer Rente der Rentenberechtigte und bei einem Nießbrauch der Nießbrauchberechtigte.
... oder Empfänger ...
Rz. 63
Der Begriff "Empfänger" bildet das Pendant im Ertragsteuerrecht zu dem Gläubigerbegriff im Vermögensteuerrecht. Darunter fällt bei der Gewinnermittlung durch Vermögensbestandsvergleich einmal der Inhaber eine Forderung gegen eine andere Person, die für die andere Person eine als Betriebsausgabe abziehbare Schuld darstellt. Darüber hinaus fällt unter den Empfängerbegriff aber auch jede Person, die Zahlungen und andere Aufwendungen empfängt, die für eine andere Person Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen. Unerheblich ist, ob der Empfänger der Zahlungen bzw. Aufwendungen auch die ihnen zugrunde liegende Leistung erbracht hat. Bei fertigen, aber noch nicht abgerechneten bzw. noch nicht bezahlten Leistungen ist die Person als Empfänger anzusehen, die nach dem Vertrag als solche aufzutreten berechtigt ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn die fertige Leistung noch nicht bezahlt, aber dennoch bei der Gewinnermittlung durch Vermögensbestandsvergleich schon Aufwand geworden ist. Der BFH hat den Empfängerbegriff des § 160 AO i.S. eines wirtschaftlichen Empfängers ausgelegt. Dies wurde in der Literatur kritisiert. Der Streit geht um die Frage, ob eine Offenlegungspflicht nur dann besteht, wenn der tatsächliche Empfänger entweder ausdrücklich im Namen des Dritten auftritt oder sich dies dem Steuerpflichtigen aufdrängen muss.
Rz. 64
Gläubiger und Empfänger können, müssen jedoch nicht mit dem ausländischen Geschäftspartner i.S. von § 16 identisch sein. Insbesondere können Gläubiger und Empfänger auch Steuerpflichtige sein oder ihren Wohnsitz und dauernden Aufenthalt im hochbesteuernden Ausland haben. Jedenfalls wenn Gläubiger bzw. Empfänger Steuerinländer sind und daneben ein ausländischer Geschäftspartner besteht (Dreiecksverhältnis), ist die Anwendung des § 16 richtigerweise ausgeschlossen (s.o. Rz. 37). Denn es fehlt an der Gefahr der Verlagerung von Besteuerungssubstrat ins Ausland.
Beispiel 1
Der ausländische Geschäftspartner A beauftragt die inländische Baugesellschaft X als Generalunternehmer, ein Bürohaus in der Schweiz zu errichten. X schaltet ihrerseits den Architekten B ein, der im Inland wohnt und seine Honorarrechnungen an X richtet. In diesem Falle kann X (Stpfl.) die Honorare des B (Empfänger) unabhängig davon als Betriebsausgaben absetzen, ob sie alle Geschäftsbeziehungen zu A (ausländische Gesellschaft, Person oder Personengesellschaft) dem FA offenlegt.
Beispiel 2
Der Steuerpflichtige A steht in Geschäftsbeziehungen zu der ausländischen Gesellschaft B. Auf Grund entsprechender Vereinbarungen ist A verpflichtet, der B Waren zu liefern. Er beauftragt zu diesem Zweck die im hochbesteuerten Ausland ansässige Firma C, die Waren in seinem – des A – Namen unmittelbar an B zu liefern. Dies geschieht auch. C richtet ihre Rechnung unmittelbar an A. Auch in diesem Falle sind der Empfänger (C) und der ausländische Geschäftspartner nicht personenidentisch. Wegen der fehlenden Gefahr der Steuerverlagerung ins niedrig besteuerte Ausland sollte auch hier die Anwendung des § 16 ausgeschlossen sein.