Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 68
Berichte des EU-Verrechnungspreisforums (JTPF). Die EU-Kommission hat im Jahr 2001 aus Vertretern der Finanzbehörden und der Wirtschaft der Mitgliedstaaten die Bildung einer Arbeitsgruppe als "Gemeinsames EU-Verrechnungspreisforum" vorgeschlagen, um
- Rechtsfragen im Kontext der Verrechnungspreise zu erörtern, die ohne Gesetzesinitiativen gelöst werden können, z.B. die Entwicklung und der Austausch bewährter Praktiken hinsichtlich Verrechnungspreisvereinbarungen und Dokumentationsanforderungen,
- die Anwendung der im Rahmen der OECD-Leitlinien existierenden Verrechnungspreismethoden EU-weit zu verbessern und zu vereinheitlichen und
- notwendige Verbesserungen und Konkretisierungen des EU-Schiedsübereinkommens zu prüfen.
Da die Veröffentlichungen der Arbeitsgruppe keine rechtliche Bindungswirkung entfalten, sondern reine Empfehlungen zur Vereinheitlichung des Rechts darstellen, waren insbesondere die Berichte zum EU-Schiedsübereinkommen – obwohl erkenntnisbringend – nicht imstande, Anwendungsprobleme des Verständigungsverfahrens restlos zu beheben. Zuletzt hat die Arbeitsgruppe 2019 getagt und einen Bericht zur Anwendung der Profit Split Method innerhalb der EU veröffentlicht. Zumindest als Inspiration zur Umsetzung des BEPS-Aktionspunktes 10 diente die Mitteilung des JTPF zu Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung.
Rz. 69
EU-Verhaltenskodex zur Durchführung des Schiedsübereinkommens. Das EU-Schiedsübereinkommen selbst enthält nur rudimentäre Verfahrensregeln. Die Durchführung eines Verfahrens richtet sich in der Praxis nach dem vom Verrechnungspreisforum (vgl. Rz. 68) entwickelten "Verhaltenskodex für die Durchführung des Schiedsübereinkommens". Dieser Verhaltenskodex ist – wie sich schon aus seiner Präambel ergibt – nicht rechtlich verbindlich, sondern hat den Charakter einer politischen Absichtserklärung und damit von "soft law". Gleichwohl hat sich auch das BMF in seinem Merkblatt zum Verständigungs- und Schiedsverfahren an dem Verhaltenskodex orientiert und dessen Vorgaben für die deutsche Praxis präzisiert. Bei offenen Zweifelsfragen bietet sich daneben ein Rückgriff auf die Mitteilungen der EU-Kommission sowie die Sitzungsprotokolle des Verrechnungspreisforums an.
Rz. 70
EU-Verhaltenskodex zur Verrechnungspreisdokumentation ("EU TDP"). Trotz der OECD-Empfehlungen weisen die Regelungen der EU-Staaten im Hinblick auf Inhalt und Aufbau einer Verrechnungspreisdokumentation teilweise Unterschiede auf. Den Unternehmen soll die Möglichkeit gegeben werden, innerhalb Europas den Steuerbehörden eine standardisierte Verrechnungspreisdokumentation vorlegen zu können. Die EU-Dokumentation thematisiert zum einen den für alle Staaten gültigen und global gehaltenen "Master-File" und zum anderen den auf das einzelne Land ausgerichteten, detaillierteren "Country-File". Gleichwohl entfalten die Regelungen zur EU TPD in ihrer Stellung einer Empfehlung keine rechtlich verbindliche Wirkung, ihre Einhaltung gilt als "politische Verpflichtung". Die Mitgliedstaaten verfügen daher auch über die Möglichkeit, auf Basis ihrer nationalen Vorschriften auch über die EU TPD hinaus Informationen des Unternehmens zu Verrechnungspreisen anzufordern. Verschiedene Rechtsentwicklungen, insbesondere auf OECD-Ebene, haben inzwischen den Inhalt der EU-Initiative überholt. Folglich ist die praktische Relevanz des Ansatzes nach der hier vertretenen Auffassung aktuell nicht gegeben.
Rz. 71– 100
frei