Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 2819
Definition der Betriebsstätte in § 12 AO. Das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Betriebsstätte bestimmt sich nach § 12 AO. Nach § 12 Satz 1 AO ist eine Betriebsstätte "jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient". Eine Geschäftseinrichtung umfasst dabei jeden körperlichen Gegenstand und jede Zusammenfassung körperlicher Gegenstände, der geeignet ist, Grundlage einer Unternehmenstätigkeit zu sein. Dies sind z.B. Räumlichkeiten wie Gebäude oder einzelne Zimmer, aber auch abgrenzbare Flächen wie Lager oder Standplätze. Nicht erforderlich ist, dass die Geschäftseinrichtung zum Aufenthalt von Personen geeignet ist. Betriebsstätte kann auch die Wohnung des Unternehmers sein, wenn der Unternehmer von dieser aus tätig wird und keine anderen Geschäftsräume zur Verfügung stehen. Anlagen sind als Unterfall der Geschäftseinrichtung anzusehen. Das Merkmal der Festigkeit erfordert sowohl in räumlicher Hinsicht einen Bezug zu einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche als auch in zeitlicher Hinsicht eine gewisse Dauerhaftigkeit bzw. Stetigkeit dieser Verbindung. Darüber hinaus muss die feste Geschäftseinrichtung grundsätzlich in der Verfügungsmacht des Unternehmers stehen. Nicht erforderlich ist dafür die alleinige Verfügungsmacht des Unternehmers; es muss aber eine gewisse Mindestschwelle überschritten sein und die Verfügungsgewalt darf nicht nur von vorübergehender Dauer sein. Das Vorliegen der Verfügungsmacht des Unternehmers ist nicht erst dann gegeben, wenn die Geschäftseinrichtung im Eigentum des Unternehmers steht; vielmehr ist eine Rechtsposition ausreichend, die ihm ohne seine Mitwirkung nicht mehr ohne Weiteres entzogen oder verändert werden kann. So hat die jüngste Rechtsprechung des BFH bereits eine personenbeschränkte Nutzungsstruktur eines Dienstleisters (im Urteilsfall: Spind und Schließfach in Gemeinschaftsräumen) als hierfür ausreichend erachtet. Gleiches gilt, wenn aus tatsächlichen Gründen anzunehmen ist, dass dem Unternehmer die Verfügungsmacht nicht entzogen wird. Auch ist keine alleinige Verfügungsmacht erforderlich, sondern ein Mitverfügungsrecht ausreichend. Schließlich muss die Geschäftseinrichtung der Tätigkeit des Unternehmens dienen, d.h. dazu bestimmt sein, den Unternehmenszweck zu fördern. Dies muss unmittelbar erfüllt sein. Ob die dienende Tätigkeit eine Haupt- oder eine Hilfstätigkeit darstellt, ist demgegenüber unerheblich.
Der Einsatz von – eigenem oder fremdem – Personal ist keine Voraussetzung des Vorliegens einer Betriebsstätte; auch mechanische, vollautomatisch arbeitende Einrichtungen können eine Betriebsstätte darstellen. Allerdings stellt sich bei personallosen Betriebsstätten die Frage, ob ihnen im Rahmen der Gewinnabgrenzung nach dem AOA, bei der die Personalfunktionen der Betriebsstätte den Ausgangspunkt der Gewinnabgrenzung darstellen, überhaupt ein Gewinnanteil zugerechnet werden kann. Die OECD und die Begründung zur BsGaV gehen davon aus, dass einer personallosen Betriebsstätte kein oder allenfalls ein geringer Gewinn zugeordnet werden kann. Dazu im Einzelnen Rz. 2939.1 ff.
§ 12 Satz 2 AO enthält eine Aufzählung von Einzelfällen, die insbesondere als Betriebsstätte anzusehen sind. Genannt sind hier u.a. Geschäftsleitungsbetriebsstätten, Produktionsbetriebsstätten, Warenlagerbetriebsstätten, Ein- und Verkaufsbetriebsstätten sowie Bau- und Montagebetriebsstätten, die ab einer Bau- und Montagetätigkeit von mindestens sechs Monaten begründet werden. Nach h.M. ist mit der Aufzählung des § 12 Satz 2 AO eine Definitionserweiterung verbunden, d.h. die von § 12 Satz 2 AO genannten Einzelfälle setzen nicht notwendigerweise z.B. eine feste Geschäftseinrichtung voraus. Die Beispielfälle können jedoch grundsätzlich zur Interpretation des Betriebsstättenbegriffs herangezogen werden.
Rz. 2820
Ständiger Vertreter. Von der Betriebsstätte zu unterscheiden ist der ständige Vertreter i.S.d. § 13 AO. Ein ständiger Vertreter ist "eine Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt" (§ 13 Satz 1 AO). Als Beispiele werden in Satz 2 der Abschluss von Verträgen, die Einholung von Aufträgen und die Unterhaltung eines Warenlagers, von dem Auslieferungen vorgenommen werden, angeführt. Im Unterschied zum sachlichen Anknüpfungspunkt der Betriebsstätte, stellt der ständige Vertreter i.S.d. § 13 AO also einen personellen Anknüpfungspunkt für die Zuordnung von Einkünften dar. Vertreter können sowohl natürliche als auch juristische Personen sein, die Geschäfte eines anderen besorgen. Betroffen sind Tätigkeiten wirtschaftlicher Art, d.h. nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern auch Handlungen tatsächlicher Art. Diese müssen jedoch Geschäfte betreffen, die in den Betrieb des Unternehmens, d.h. des Vertretenen, fallen. Dies umfasst z.B. Tätigkeiten eines Handelsvertreters, eines Agenten mit und ohne Abschlussvollma...