Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
(2) [1] Abweichend von Absatz 1 ist ein Geschäftsvorfall nur dann einer anderen Betriebsstätte zuzuordnen als derjenigen, auf Grund deren Personalfunktion der Geschäftsvorfall zustande gekommen ist, wenn die Bedeutung einer in dieser anderen Betriebsstätte ausgeübten anderen Personalfunktion eindeutig gegenüber der Bedeutung der in Absatz 1 genannten Personalfunktion überwiegt. [2] Andere Personalfunktionen sind insbesondere solche, die im Zusammenhang mit der Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Geschäftsvorfall oder mit dessen Verwaltung oder mit dessen Risikosteuerung stehen.
Rz. 3115
Öffnungsklausel. § 9 Abs. 2 BsGaV sieht eine Öffnungsklausel vor, die dem Stpfl. gestattet, von der gesetzlichen Vermutungsregelung über die maßgebliche Personalfunktion abzuweichen und unter bestimmten Voraussetzungen die Zuordnung von Geschäftsvorfällen nach Maßgabe einer anderen Personalfunktion vorzunehmen. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Bedeutung einer für den Geschäftsvorfall relevanten Personalfunktion eindeutig die Bedeutung derjenigen Personalfunktion überwiegt, die dem Zustandekommen des Geschäftsvorfalls zugrunde liegt. Unter diesen Voraussetzungen ist der Geschäftsvorfall nach § 9 Abs. 2 BsGaV nach Maßgabe der anderen Personalfunktion zuzuordnen. Insoweit verdrängt diese andere Personalfunktion das Zustandekommen des Geschäftsvorfalls als maßgebliche Personalfunktion. § 9 Abs. 2 Satz 2 BsGaV enthält eine (aufgrund des Wortlauts "insbesondere") nicht abschließende Aufzählung anderer Personalfunktionen, die für die Zuordnung von Geschäftsvorfällen maßgeblich sein können. Beispielhaft kommen die Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Geschäftsvorfall, dessen Verwaltung oder dessen Risikosteuerung als solche "anderen Personalfunktionen" in Betracht. Wenngleich weder die BsGaV noch die VWG BsGa konkretisieren, wann davon ausgegangen werden kann, dass die Bedeutung dieser Personalfunktionen gegenüber der des Zustandekommens überwiegt, soll nach Auffassung der Finanzverwaltung dadurch insbesondere eine Übereinstimmung der Zuordnung von Geschäftsvorfällen mit der Zuordnung der damit im Zusammenhang stehenden Vermögenswerte erreicht werden. Dies wird von der Finanzverwaltung anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht:
Beispiel
Unternehmen X in Staat A schließt auf Anforderung seiner Betriebsstätte (B) in Staat B mit einem unabhängigen Dritten einen Vertrag über eine Dienstleistung ab, die der fremde Dritte ausschließlich an B erbringt.
Lösung
Maßgeblich für das Zustandekommen des Geschäftsvorfalls (Dienstleistungsvertrag) sind die Auswahl des Auftragnehmers, die Vertragsverhandlungen und der Vertragsabschluss. Der Dienstleistungsvertrag wäre daher nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BsGaV der Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A zuzuordnen. Gleichwohl ist von Bedeutung, dass die Betriebsstätte B ursächlich für den Abschluss des Dienstleistungsvertrags war, weil die Dienstleistung ausschließlich an die Betriebsstätte erbracht wird. Damit kommt der von der Betriebsstätte ausgeübten Personalfunktion eine größere Bedeutung als dem formalen Vertragsabschluss durch das übrige Unternehmen zu. Infolgedessen ist der Dienstleistungsvertrag nach Maßgabe des § 9 Abs. 2 BsGaV B zuzuordnen. Da das übrige Unternehmen durch die Auswahl des Auftragnehmers, die Vertragsverhandlungen und den Vertragsabschluss eine fiktive Dienstleistung an die Betriebsstätte erbringt, ist nach Maßgabe des Fremdvergleichsgrundsatzes eine angemessene Dienstleistungsvergütung anzusetzen (§ 16 Abs. 2 BsGaV).
Im Übrigen reicht nach Auffassung der Finanzverwaltung die Personalfunktion der Verwaltung allein nicht aus, um die Funktion des Zustandekommens des Geschäftsvorfalls als Zuordnungskriterium zu verdrängen. Dementsprechend müssten in der Betriebsstätte neben der Verwaltung auch weitere Personalfunktionen ausgeübt werden, um einen Geschäftsvorfall abweichend von der Personalfunktion des Zustandekommens zuzuordnen.