Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 1190
Keine Funktionsverlagerung bei Übertragung oder Überlassung von Wirtschaftsgütern bzw. Erbringung von Dienstleistungen. Eine Funktionsverlagerung liegt nicht vor, wenn ausschließlich Wirtschaftsgüter veräußert oder zur Nutzung überlassen werden bzw. wenn nur Dienstleistungen erbracht werden. Während diese Negativabgrenzung zur allgemeinen Definition der Funktionsverlagerung im früheren Recht noch ausdrücklich geregelt war (vgl. § 1 Abs. 7 Satz 1 FVerlV 2008), ist die betreffende Regelung in der FVerlV 2022 nicht mehr enthalten. Diesbezüglich heißt es in der Begründung zur FVerlV 2022, dass der bisherige § 1 Abs. 7 FVerlV 2008 entfallen konnte, da auch mit den verbleibenden Regelungen sichergestellt sei, dass es in derartigen Fällen nicht zur Verwirklichung einer Funktionsverlagerung kommt; insoweit hat sich im Vergleich zur vorherigen Rechtslage keine Änderung ergeben. Auch wenn die bisherige Regelung insoweit lediglich klarstellend war, hat sich die klare Formulierung in der Praxis indessen als hilfreich erwiesen und für Rechtssicherheit gesorgt. Der bloße Hinweis in der Begründung zur FVerlV 2022, dass es nicht zur Funktionsverlagerung kommt, erscheint aufgrund der Erfahrungen in der Betriebsprüfung als unzureichend. Dass eine Funktionsverlagerung nicht gegeben ist, wenn ausschließlich Wirtschaftsgüter veräußert oder zur Nutzung überlassen oder wenn nur Dienstleistungen erbracht werden, soll allerdings nur für Fälle gelten, in denen die Wirtschaftsgüter oder Dienstleistungen nicht Teil einer Funktionsverlagerung sind. Die entscheidende Frage, in welchen Fällen ausschließlich Wirtschaftsgüter übergehen bzw. nur Dienstleistungen erbracht werden und in welchen Fällen eine Funktionsverlagerung tatsächlich vorliegt, wird indessen weder im Gesetz noch in der FVerlV 2008/2022 beantwortet. Der Hinweis in der Begr. zu § 1 Abs. 7 Satz 1 FVerlV 2008, dass durch die Ausnahmeregelung "eine zu weitgehende Erfassung von Geschäftsvorfällen als Funktionsverlagerungen" vermieden werden soll, lässt allerdings den Rückschluss zu, dass nur dann von einer Funktionsverlagerung auszugehen ist, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 FVerlV 2008/2022 erfüllt sind. Dies setzt wiederum voraus, dass eine Funktion eindeutig sowohl beim verlagernden als auch beim aufnehmenden Unternehmen identifiziert und dergestalt abgegrenzt werden kann, dass dieser Funktion entsprechende Wirtschaftsgüter, sonstige Vorteile und Dienstleistungen zugeordnet werden können. Dies ergibt sich allerdings auch bereits aus § 1 Abs. 2 FVerlV 2008/2022.
Rz. 1191
Regelungen der VWG VP 2023 und der VWG-Funktionsverlagerung. Auch in den einschlägigen Verwaltungsanweisungen wird die Frage der Abgrenzung einer ausschließlichen Übertragung bzw. Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern bzw. einer reinen Dienstleistungserbringung einerseits und einer Funktionsverlagerung andererseits nicht beantwortet. Es wird lediglich klargestellt, dass solche Geschäftsvorfälle Teil einer Funktionsverlagerung sein können und folglich als Teil des Transferpakets im Rahmen einer Gesamtbetrachtung abzurechnen sind. Dies gelte – so die Finanzverwaltung – beispielsweise für Dienstleistungen, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer Funktionsverlagerung erbracht werden (ein rein zeitlicher Zusammenhang reicht nicht aus). Zu den Vorteilen, die dabei relevant sind, gehören nach Auffassung der Finanzverwaltung z.B. die folgenden: Kenntnisse des Produkt- oder Prozess-Know-hows, Kenntnisse über Forschungsprojekte, Kenntnisse über die Betriebsorganisation, persönliche Netzwerkbeziehungen zu anderen Konzernunternehmen, Markt- oder Branchenkenntnisse oder personengebundene Aufträge im Beratungsgeschäft. Der Verweis in Rz. 51 VWG-Funktionsverlagerung deutet im Übrigen darauf hin, dass die Finanzverwaltung vornehmlich solche (einzelne) Geschäftsvorfälle im Rahmen einer sukzessiven Funktionsverlagerung erfassen will, die gem. § 1 Abs. 2 Satz 3 FVerlV 2008/2022 innerhalb eines Fünf-Jahres-Zeitraums zusammenzufassen sind.
Rz. 1192
Negativabgrenzung gem. § 1 Abs. 7 Satz 1 FVerlV 2008. § 1 Abs. 7 Satz 1 FVerlV 2008 regelte ausdrücklich, dass eine Funktionsverlagerung nicht vorliegt, wenn ausschließlich Wirtschaftsgüter veräußert oder zur Nutzung überlassen oder wenn nur Dienstleistungen erbracht werden. Die Regelung, die in der FVerlV 2022 nicht mehr explizit enthalten ist, stellte eine ausdrückliche Negativabgrenzung zur allgemeinen Definition der Funktionsverlagerung nach § 1 Abs. 2 FVerlV 2008/2022 dar. Dass eine Funktionsverlagerung nicht gegeben ist, wenn ausschließlich Wirtschaftsgüter veräußert oder zur Nutzung überlassen oder wenn nur Dienstleistungen erbracht werden, ergibt sich indessen bereits aus den allgemeinen Regelungen, sodass § 1 Abs. 7 Satz 1 FVerlV 2008 insoweit lediglich klarstellender Natur war.