Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
(4) Kann ein materielles Wirtschaftsgut nicht eindeutig zugeordnet werden, so ist eine Zuordnung vorzunehmen, die den Absätzen 1 bis 3 nicht widerspricht.
Rz. 3030
Beurteilungsspielraum des Unternehmens. Lässt sich nicht eindeutig ermitteln, welche Personalfunktion die größte Bedeutung für ein materielles Wirtschaftsgut hat, kommt dem Unternehmen ein Beurteilungsspielraum zu, der nur dahingehend beschränkt ist, dass die Zuordnung den Zuordnungsregelungen des § 5 Abs. 1–3 BsGaV nicht widersprechend darf. Nach den VWG BsGa muss sich die Zuordnung daher "so weit wie möglich an den Grundsätzen des § 5 Absatz 1 bis 3 BsGaV orientieren." Aufgrund des auch hier geltenden Vorrangs der Zuordnungsregelung des § 5 Abs. 1 BsGaV besteht der Beurteilungsspielraum des Unternehmens vor allem in Fällen der Personalfunktionenkonkurrenz (Anm. 2947). Er beschränkt sich auf diejenigen Betriebsstätten, für die eine Zuordnung grundsätzlich infrage kommt, weil in ihnen Personalfunktionen von erheblicher Bedeutung ausgeübt werden. Eine vom Unternehmen unter Ausnutzung seines Beurteilungsspielraums vorgenommene Zuordnung eines materiellen Wirtschaftsguts ist von der Finanzverwaltung anzuerkennen. Dies setzt voraus, dass die Zuordnung nachvollziehbar erfolgt und begründet werden kann (Anm. 3031). Nach Ansicht der Finanzverwaltung soll darüber hinaus erforderlich sein, dass im Rahmen der Besteuerung des Unternehmens im anderen Staat dieselbe Zuordnung des Wirtschaftsguts vorgenommen wird.
Rz. 3031
Dokumentation der Zuordnung. Die Ausübung von faktischen Zuordnungswahlrechten des Unternehmens im Rahmen eines etwaigen Beurteilungsspielraums erfolgt durch (Nicht-)Ausweis des materiellen Wirtschaftsguts in der Hilfs- und Nebenrechnung der jeweiligen Betriebsstätte. Nach Ansicht der Finanzverwaltung muss die Zuordnung "spätestens mit Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung nachvollziehbar erfolgen." Dies ist dann der Fall, wenn das Wirtschaftsgut in der Hilfs- und Nebenrechnung einer (einzigen) Betriebsstätte ausgewiesen ist. Im Rahmen der Verrechnungspreisdokumentation sind darüber hinaus auch die "Gründe für die Zuordnung der Bestandteile [der Hilfs- und Nebenrechnung]" darzustellen (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 BsGaV, Anm. 2991).
Wird den Dokumentationserfordernissen im Hinblick auf § 3 Abs. 3 Nr. 1 BsGaV i.V.m. § 90 Abs. 3 AO nicht genügt, ist ggf. eine Schätzung nach § 162 Abs. 3 AO möglich. Das weitergehende Postulat der Finanzverwaltung, wonach eine Schätzung auch dann möglich sein soll, wenn im jeweiligen anderen Staat eine abweichende Zuordnung erfolgt, hat demgegenüber keine Rechtsgrundlage.
Rz. 3032
Keine anteilige Zuordnung eines materiellen Wirtschaftsguts. Ein materielles Wirtschaftsgut kann – anders als immaterielle Werte (Anm. 3060) – grundsätzlich nur einer Betriebsstätte gleichzeitig zugeordnet werden. Dies schließt nicht aus, dass sich die Zuordnung während eines Wirtschaftsjahrs ändert. In diesem Fall ist eine fiktive Veräußerung (Anm. 3322) anzunehmen, für die ein entsprechender Verrechnungspreis anzusetzen ist (Anm. 3327). Die OECD scheint demgegenüber davon auszugehen, dass eine anteilige Zuordnung eines materiellen Wirtschaftsguts zu mehreren Betriebsstätten möglich ist.
Rz. 3033– 3040
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