Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 2601
DEMPE-Konzept der OECD als wesentlicher Inhalt. § 1 Abs. 3c setzt im Wesentlichen das DEMPE-Konzept der OECD im deutschen Steuerrecht um. Die Bedeutung des § 1 für verrechnungspreisbezogene Sachverhalte steigt damit weiter. Vor dem Hintergrund der grundsätzlich asymmetrischen Rechtsfolge einer Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 1, die lediglich Korrekturen zulasten des Steuerpflichtigen, nicht aber zu seinen Gunsten zulässt, und nach h.M. außerhalb der Steuerbilanz zu ziehen ist (Rz. 162), stellt sich die Frage, ob § 1 geeignet ist, den Anspruch des DEMPE-Konzepts als Instrument zur – gleichmäßigen – Umsetzung einer Gewinnverteilung nach Maßgabe der wirtschaftlichen Wertschöpfungsbeiträge der verbundenen Unternehmen zu gewährleisten. Denn, soweit Abweichungen zwischen den – grundsätzlich einzeltransaktionsbezogenen – allgemeinen Ertrags-/Aufwandzuordnungsgrundsätzen und der – auf das Gesamtergebnis abstellenden – DEMPE-konformen Gewinnverteilung besteht, ist nicht ausgeschlossen, dass auf den verschiedenen Ebenen gegenläufige, sich teilweise aufhebende Wirkungen entstehen. Dies kann schon aus Praktikabilitätsgründen nicht überzeugen. Unklar bleibt daher auch, ob die Zielvorstellung einer von Beginn an – auch unter DEMPE-Gesichtspunkten – fremdvergleichskonformen zivilrechtlichen Verrechnungspreisgestaltung zur Vermeidung von steuerlichen Korrekturen noch umsetzbar ist (s. auch Rz. 2707).
Rz. 2602
Anwendung der Neuregelung. Die Neuregelung des § 1 Abs. 3c ist gem. § 21 Abs. 1 erstmals für den Veranlagungszeitraum 2022 anzuwenden. Da die Entwurfsbegründung aber § 1 Abs. 3c lediglich einen klarstellenden Charakter zubilligt, ist zu erwarten, dass die Finanzverwaltung die Neuregelungen auch bereits für frühere Veranlagungszeiträume anwenden will. Dies wäre zu kritisieren. Denn die Neufassung geht über eine reine Klarstellung deutlich hinaus. Bisher galt im Grundsatz, dass der Residualgewinn dem zivilrechtlichen/wirtschaftlichen Eigentümer zusteht. Zwar war auch bislang eine vom zivilrechtlichen Eigentum abweichende Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO möglich. Die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO sind jedoch nicht deckungsgleich mit dem DEMPE-Konzept der OECD und setzen insbesondere auch auf unterschiedlichen Ebenen an (Rz. 2720).
Die die Neuregelung weiter konkretisierenden VWG VP 2023 sollen gem. Tz. 6.2 auf alle offenen Fälle angewendet werden. Hinsichtlich der Vorschriften zum DEMPE-Konzept (Abschnitts F.2) fehlt es jedoch für Fälle vor dem 1.1.2022 an einer gesetzlichen Grundlage, sodass eine Anwendung insoweit ausscheidet (Rz. 2684).
Hinzuweisen ist ferner darauf, dass § 1 Abs. 3c dem Grunde nach auch solche Sachverhalte erfassen dürfte, die nach bisheriger Rechtslage mangels Konkretisierung als Wirtschaftsgut allenfalls im Rahmen der Funktionsverlagerungsbesteuerung als sonstige Vorteile erfasst werden (s.a. Rz. 2699). Der Wert solcher sonstigen Vorteile konnte bislang nur auf der Grundlage einer Gesamtbewertung des Transferpakets als Residualgröße zum Gesamtwert der im Transferpaket enthaltenen Wirtschaftsgüter abgeleitet werden. Auch insoweit sind daher im Zusammenhang mit der Neuregelung deutliche Abweichungen vom bisherigen Rechtsstand verbunden. Insbesondere für nicht als Wirtschaftsgüter einzuordnende immaterielle Werte (Rz. 2690) bleiben zentrale Fragen offen, wie etwa im Hinblick darauf, wie das Konkurrenzverhältnis zwischen der Einzelbewertung im Rahmen des § 1 Abs. 3c einerseits und der Transferpaketbewertung im Rahmen der Funktionsverlagerungsbesteuerung andererseits zu lösen ist. In Fällen von Funktionsverlagerungen dürften sich diese Fragen regelmäßig stellen; auch insofern erhöhen sich daher durch die Neuregelung die Rechtsunsicherheiten.
Rz. 2603
Betriebsstättenfälle. § 1 Abs. 3c ist auch für Betriebstättenfälle entsprechend anwendbar (§ 1 Abs. 5 Satz 1), d.h. insbesondere das DEMPE-Konzept ist auch im Rahmen der Gewinnverteilung/-zuordnung zwischen Betriebsstätte und übrigem Unternehmen zu berücksichtigen. Der im Fall verbundener rechtlich selbständiger Unternehmen erforderliche Schritt der Identifizierung des zivilrechtlichen Eigentümers eines immateriellen Werts (Rz. 2702) wird hierbei durch die Zuordnung dieses immateriellen Werts gem. § 6 BsGaV ersetzt (Rz. 3041 ff.). Hierzu kommt es insbesondere darauf an, wo die Personalfunktion der Schaffung oder der Anschaffung eines immateriellen Werts ausgeübt wird (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BsGaV), d.h. wo die aktive unternehmerische Entscheidung hinsichtlich der Frage getroffen wird, ob und welche Risiken im Zusammenhang mit der Schaffung oder dem Erwerb eines immateriellen Werts eingegangen werden und künftig getragen werden sollen. Insoweit besteht daher bereits hinsichtlich der betriebsstättenbezogenen Zuordnung des immateriellen Werts eine erhebliche Nähe zum DEMPE-Ansatz, sodass Betriebsstätten, denen ein immaterieller Wert nach den Vorschriften des § ...