Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
[3] Die Feststellung des Eigentums oder der Inhaberschaft an einem immateriellen Wert, einschließlich aus einem solchen abgeleiteter Rechte, ist Ausgangspunkt für die Bestimmung, welchem an dem Geschäftsvorfall beteiligten Unternehmen der Ertrag zusteht, der sich aus jedweder Art der Verwertung dieses immateriellen Werts ergibt.
Rz. 2701
Wirtschaftliche Betrachtungsweise. Mit der Einfügung von § 1 Abs. 3c tritt die sog. wirtschaftliche Betrachtungsweise weiter in den Vordergrund. Die Vorschrift setzt das DEMPE-Konzept der OECD (Rz. 2704) in das deutsche Steuerrecht um. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass die durch die Festlegung der Verrechnungspreise determinierte Verteilung des Steuersubstrats auf die Ansässigkeitsstaaten der beteiligten verbundenen Unternehmen im Einklang mit der Verteilung der wertschöpfenden Tätigkeiten in diesen Staaten erfolgt. Entsprechend verringert sich die Bedeutung der zwischen den Konzernunternehmen geschlossenen schriftlichen Verträge, die künftig nur noch "Ausgangspunkt" der Verrechnungspreisanalyse sein sollen (Substance-over-form-Ansatz, Rz. 2702). Ausdrückliches Ziel der Reform war hierbei die Angleichung an internationale Besteuerungsgrundsätze, um über eine einheitliche Umsetzung des Fremdvergleichsgrundsatzes sowohl Doppelbesteuerungen als auch doppelte Nichtbesteuerungen zu vermeiden. Insbesondere soll auch eine faire Verteilung der Besteuerungsrechte auf die beteiligten Staaten erzielt werden. Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung soll die Neuregelung lediglich klarstellender Natur sein, denn die wirtschaftliche Betrachtungsweise sei der deutschen Verrechnungspreisprüfung "seit jeher" zugrunde zu legen (zur Kritik hieran s. Rz. 2602).
Rz. 2702
Eigentum oder Inhaberschaft. § 1 Abs. 3c Sätze 3–5 sollen das DEMPE-Konzept der OECD umsetzen. Hierzu wird in § 1 Abs. 3c Satz 3 zunächst festgehalten, dass die "Feststellung des Eigentums oder der Inhaberschaft an einem immateriellen Wert [..] Ausgangspunkt für die Bestimmung [ist], welchem an dem Geschäftsvorfall beteiligten Unternehmen der Ertrag zusteht, der sich aus jedweder Art der Verwertung dieses immateriellen Werts ergibt". Dies folgt der Systematik der OECD-Leitlinien (Rz. 2704). In Abkehr von der bisherigen Rechtslage, in der Verträge zwischen verbundenen Unternehmen grundsätzlich zu beachten waren und den Rahmen für die Gewinnberechtigung bildeten, ist damit eine weitgehende Abstraktion der Gewinnberechtigung vom (rechtlichen) Eigentum umgesetzt worden. Dies stellt eine grundlegende Neuerung im deutschen Steuerrecht dar. Nach wie vor ist aber zunächst und als Ausgangspunkt der Analyse der rechtliche Eigentümer des immateriellen Werts zu ermitteln und für Verrechnungspreiszwecke auch als solcher anzuerkennen. Sofern einer vom rechtlichen Eigentümer abweichenden Person das wirtschaftliche Eigentum (Rz. 2608) zuzurechnen ist, ist diese auch für Zwecke des § 1 Abs. 3c Satz 3 ff. als Eigentümer bzw. Inhaber des jeweiligen immateriellen Werts anzusehen. Kann der (zivilrechtliche oder wirtschaftliche) Eigentümer nicht unmittelbar anhand vertraglicher oder rechtlicher Kriterien identifiziert werden, ist das rechtliche Eigentum für Verrechnungspreiszwecke derjenigen Gesellschaft zuzuordnen, die die Verwertungsentscheidungen kontrolliert und in der Lage ist, andere an der Nutzung des immateriellen Werts zu hindern, vgl. Tz. 6.40 OECD-Leitlinien 2022.
Rz. 2702.1
Zuordnung des Ertrags nach Maßgabe der DEMPE-Wertschöpfungsbeiträge. Unabhängig von der Zuordnung des zivilrechtlichen/wirtschaftlichen Eigentums ist jedoch der "Ertrag" aus dem immateriellen Wert – unabhängig von einer möglichen zivilrechtlichen Alleinberechtigung – nach Maßgabe der DEMPE-Funktionen/-Risiken und den eingesetzten Wirtschaftsgütern zuzuordnen (Rz. 2703 ff.). Der "Ertrag" umfasst hierbei neben den laufenden Erlösen auch die Erlöse aus der Veräußerung des immateriellen Werts (s. hierzu auch Rz. 2707).