Zusammenfassung
Sowohl im Besteuerungs- als auch im finanzgerichtlichen Verfahren sind zahlreiche Fristen zu beachten. Die AO unterscheidet in § 108 AO zwischen Fristen und Terminen, ohne sie zu definieren. Fristen sind abgegrenzte, bestimmbare Zeiträume, vor deren Ablauf eine Handlung oder ein Ereignis wirksam werden muss, um fristgerecht zu sein.
Termine sind bestimmte Zeitpunkte, an denen etwas geschehen soll oder zu denen eine Wirkung eintritt. In der Regel haben bei Fristen die Steuerpflichtigen eine bestimmte wirksame Handlung vorzunehmen, um eine Pflicht zu erfüllen oder Rechtsnachteile zu vermeiden (Handlungsfristen).
Nicht selten werden im Sprachgebrauch die Begriffe Fristen und Termine falsch verwendet. So ist z. B. ein "Zahlungstermin" kein Termin, sondern das Ende einer Frist (Zahlungsfrist). Auch ist z. B. die "3-Tagesfiktion" des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten eigentlich keine Frist, sondern eher ein Termin.
Steuererklärungsfristen:
Mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz wird die Frist zur Abgabe von Steuererklärungen 2020 in beratenen Fällen um weitere 3 Monate verlängert. Hieran anknüpfend werden auch die Erklärungsfristen für die folgenden Veranlagungszeiträume verlängert. Es gelten dann bei der Einkommensteuer folgende Fristen, ggf. unter Berücksichtigung des § 108 Abs. 3 AO:
Beratene Fälle:
- VZ 2020: bis 31.8.2022 (LuF: 31.1.2023) = +6 Monate,
- VZ 2021: bis 31.8.2023 (LuF: 31.1.2024) = +6 Monate,
- VZ 2022: bis 31.7.2024 (LuF: 31.12.2024) = +5 Monate,
- VZ 2023: bis 31.5.2025 (LuF: 31.10.2025) = +3 Monate,
- VZ 2024: bis 30.4.2026 (LuF: 30.9.2026) = +2 Monate.
Nicht beratene Fälle:
- VZ 2021: bis 31.10.2022 (LuF: Ende abw. WJ + 10 Monate) = +3 Monate,
- VZ 2022: bis 30.9.2023 (LuF: Ende abw. WJ + 9 Monate) = +2 Monate,
- VZ 2023: bis 31.8.2024 (LuF: Ende abw. WJ + 8 Monate) = +1 Monat.
Die Verlängerung der Abgabefristen soll also schrittweise wieder zurückgenommen werden; ab VZ 2025 (beratene Fälle) bzw. VZ 2024 (nicht beratene Fälle) würden dann wieder die ursprünglichen Fristen gelten.
Gesetzliche Grundlagen finden sich in den §§ 108, 109 AO i. V. m. Einzelregelungen der AO (z. B. hinsichtlich der Abgabe von Steuererklärungen in § 149 AO) oder in den Steuergesetzen.
1 Fristen
Für das steuerrechtliche Verfahren gibt es Fristen, die in der AO, aber auch solche, die in den Steuergesetzen geregelt sind (gesetzliche Fristen). Darüber hinaus kann auch die Behörde eine Frist setzen bzw. verlängern (behördliche Fristen). Es gibt verlängerbare und nicht verlängerbare Fristen, Ausschluss- und Nichtausschlussfristen. Bei Ausschlussfristen führt die fehlende Handlung zu nicht mehr rückgängig zu machenden Nachteilen des Steuerpflichtigen, z. B. der Ablauf der Einspruchsfrist, die Unanfechtbarkeit und Nichtabänderbarkeit des Steuerbescheids. Bei Nichtausschlussfristen ist ein solcher Nachteil nicht zwingend, z. B. bei der Nichtabgabe einer Steuererklärung nach der gesetzlichen oder behördlichen Abgabefrist.
1.1 Gesetzliche Fristen
Sie sind gesetzlich geregelt. Soweit sie unmittelbar mit der Steuerfestsetzung zusammenhängen, handelt es sich regelmäßig um Ausschlussfristen, so z. B. Rechtsbehelfsfristen und Verjährungsfristen. Sie sind nur verlängerbar, wenn dies ausdrücklich gesetzlich erlaubt ist, was i. d. R. nicht der Fall ist. Ausnahme: Die Revisionsbegründungsfrist nach § 120 FGO ist verlängerungsfähig. Bei Versäumnis einer gesetzlichen Frist kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.
Im Übrigen gibt es zahlreiche Fristen, die keine Ausschlussfristen sind und die auch verlängerbar sind, z. B. Fristen zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung oder die Frist zur Zahlung einer Einkommensteuerabschlusszahlung durch Stundung.
1.2 Behördliche Fristen
Sie werden vom Finanzamt im Einzelfall bestimmt. Möglich ist auch eine behördliche Frist bzw. Fristverlängerung durch eine Allgemeinverfügung. Die Fristen können – auch rückwirkend oder gegen Sicherheitsleistung – nach § 109 AO verlängert werden. Sie sind i. d. R. keine Ausschlussfristen (Ausnahme s. u.), können aber bei Nichteinhaltung ggf. das Entstehen von Nachteilen nicht mehr beseitigen oder verhindern, z. B. Säumniszuschläge bei Nichteinhaltung der Zahlungsfrist, Verspätungszuschläge bei Nichteinhaltung der Einkommensteuererklärungsfrist.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gibt es bei behördlichen Fristen nicht. Sie ist nur für gesetzliche Fristen vorgesehen. Sie wird jedoch, so weit erforderlich, ersetzt durch die Möglichkeit der rückwirkenden Fristverlängerung. Eine Sonderstellung nimmt die im Einspruchsverfahren gesetzte Ausschlussfrist des § 364b AO ein. Sie hat Ausschlusscharakter, ist aber gleichwohl – auf Antrag – verlängerbar. Bei Überschreitung der Frist ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich.
1.3 Berechnung von Fristen
Ist das Ende einer Frist ausdrücklich benannt, ist eine Berechnung nicht erforde...