Prof. Dr. Georg Schnitter
Rz. 2
§ 18 GewStG regelt die Entstehung des GewSt-Anspruchs und konkretisiert § 38 AO in zeitlicher Hinsicht. Nach § 38 AO entsteht die GewSt, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das GewStG die Pflicht zur Zahlung der GewSt knüpft. Mit dem Begriff "Tatbestand" ist dabei die Gesamtheit der im GewStG enthaltenen Voraussetzungen gemeint, bei deren tatsächlichem Vorliegen der GewSt-Anspruch entsteht. In diesem Zusammenhang regelt § 18 GewStG, dass die GewSt mit Ablauf des Ez entsteht, für den sie nach § 16 Abs. 1 GewStG grundsätzlich von der Gemeinde festgesetzt wird. Mit der Entstehung des GewSt-Anspruchs wird der Anspruch auf GewSt erstmalig existent. Des Weiteren entsteht mit dem GewSt-Anspruch auch das Steuerschuldverhältnis zwischen der hebeberechtigten Gemeinde und dem Steuerschuldner i. S. d. § 5 GewStG. Tatsächliche und rechtliche Vorgänge nach dem Entstehungszeitpunkt der GewSt beeinflussen den GewSt-Anspruch grundsätzlich nicht mehr. Zu unterscheiden von der Entstehung des GewSt-Anspruchs sind die Festsetzung der GewSt und die Fälligkeit der GewSt.
Rz. 2a
Anwendung findet § 18 GewStG auf alle der GewSt unterliegenden Gewerbebetriebe.
Rz. 3
§ 18 GewStG umfasst das Entstehen von GewSt-Ansprüchen für einen bestimmten Ez. Geltung hat § 18 GewStG grundsätzlich auch in den Fällen von § 16 GewStDV. § 16 GewStDV regelt nicht die Frage, zu welchem Zeitpunkt GewSt-Ansprüche entstehen, sondern nur die Ermittlung des Gewerbeertrags. Von daher entsteht auch im Fall der Abwicklung eines Gewerbebetriebs i. S. d. § 2 Abs. 2 GewStG die GewSt grundsätzlich mit Ablauf eines jeden Kalenderjahrs. Besonderheiten gelten, wenn hinsichtlich eines Gewerbebetriebs das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Hier kommt es nicht auf die Entstehung der GewSt, sondern auf die Begründung der Forderung an. Im insolvenzrechtlichen Sinne zu bejahen ist diese, wenn der Rechtsgrund für die Entstehung der Forderung gelegt ist. Wurde die GewSt vor der Insolvenzeröffnung begründet, ist diese als Insolvenzforderung zur Tabelle anzumelden. Erfolgte die Begründung der GewSt nach der Insolvenzeröffnung, liegt insoweit eine Masseverbindlichkeit vor. Keine Anwendung findet § 18 GewStG, wenn der GewSt-Anspruch erst durch den GewSt-Bescheid entsteht und in den Fällen steuerlicher Nebenleistungen. Steuerliche Nebenleistungen stellen keine GewSt-Ansprüche dar. Ebenfalls keine Anwendung findet § 18 GewStG hinsichtlich der GewSt-Vorauszahlungen. Hierfür gilt § 21 GewStG.
Rz. 4
Bedeutsam ist das Entstehen der GewSt z. B. für den Rückgriff auf den Erben beim Tod des Unternehmers nach § 45 AO, die Haftung dritter Personen nach den §§ 69ff. AO, die Fälligkeit nach § 220 Abs. 2 AO und den Beginn der Zahlungsverjährung nach § 229 AO. Gleiches gilt für den Beginn der Festsetzungsverjährung nach § 170 AO, wobei die Festsetzungsverjährung für den GewSt-Messbetrag, die Zerlegung des GewSt-Messbetrags und die GewSt nicht einheitlich verläuft. Vielmehr ist die jeweilige Frist für jeden eigenständigen Verwaltungsakt gesondert zu berechnen. Außerdem ist im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung nach § 35 Abs. 2 S. 1 EStG Mitunternehmern, die im Laufe des Ez aus der Personengesellschaft ausscheiden, kein Anteil am GewSt-Messbetrag zuzuweisen, da sie zum Zeitpunkt der Entstehung der GewSt an dieser nicht mehr beteiligt sind. Des Weiteren ist der Gesetzgeber bis zum Entstehen des Steueranspruchs zur Änderung der gesetzlichen Grundlagen für den zurückliegenden Zeitraum im Ez berechtigt. Eine derartige unechte Rückwirkung ist zwar grundsätzlich zulässig. Der Gesetzgeber muss aber dem gebotenen Vertrauensschutz Rechnung tragen. Die mit einer Änderung verfolgten Allgemeininteressen sind mit den Interessen des Einzelnen abzuwägen. Die rückwirkende Änderung muss zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich sein. Auch muss bei einer Gesamtabwägung die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleiben.