Rz. 117
Die Sitzverlegung einer Körperschaft, die keine SE oder SCE ist, in einen Staat der EU oder in einen Drittstaat wird gleich behandelt. Wird bei einer solchen Sitzverlegung das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus einer Veräußerung der Anteile ausgeschlossen oder beschränkt, fingiert Abs. 1 eine Veräußerung der Anteile im Zeitpunkt der Sitzverlegung. Diese fiktive Veräußerung wird mit dem gemeinen Wert bewertet, sodass ein fiktiver Veräußerungsgewinn in Höhe der Differenz zwischen Anschaffungskosten und gemeinem Wert entsteht. Diese Differenz kann positiv oder negativ sein, d. h., es kann sich auch um einen fiktiven Veräußerungsverlust handeln. Konsequenterweise müssen die Anteile innerhalb einer logischen Sekunde nach der fiktiven Veräußerung als zum gemeinen Wert erworben gelten, da sie weiterhin zum Eigentum (Betriebsvermögen) des Gesellschafters gehören.
Rz. 118
Das Besteuerungsrecht wird durch die Sitzverlegung ausgeschlossen, wenn Deutschland einen etwaigen späteren Veräußerungsgewinn freistellen muss, eine Beschränkung tritt ein, wenn Deutschland den Veräußerungsgewinn zwar besteuern kann, aber eine ausl. Steuer anrechnen muss (Rz. 23ff.). Zur Besteuerung kann es daher in folgenden Fällen kommen:
- Eine unbeschränkt stpfl. Körperschaft hält Anteile an einer inl. Kapitalgesellschaft, die ihre Geschäftsleitung in einen Staat verlegt, mit dem kein DBA besteht. Eine Verlegung des statuarischen Sitzes dürfte nicht möglich sein. Zwar bleibt das deutsche Besteuerungsrecht auch nach der Verlegung der Geschäftsleitung dem Grunde nach bestehen, es ist aber die im Ausland bei der Besteuerung entstehende Steuer anzurechnen; das deutsche Besteuerungsrecht wird also beschränkt. Obwohl die wegziehende Kapitalgesellschaft weiterhin ihren Sitz in Deutschland hat, handelt es sich bei einem späteren Veräußerungsgewinn bei der Veräußerung der Anteile um "ausländische Einkünfte", da § 34d Nr. 4 Buchst. b EStG darauf abstellt, dass die Körperschaft Sitz oder Geschäftsleitung im Ausland hat. Eine ausländische Steuer ist daher nach § 26 Abs. 1 KStG anzurechnen.
- Eine unbeschränkt stpfl. Körperschaft hält Anteile an einer inl. Kapitalgesellschaft, die ihre Geschäftsleitung in einen Staat verlegt, mit dem ein DBA besteht, wonach das Besteuerungsrecht an den Anteilen dem Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft zusteht (z. B. DBA mit Tschechien und der Slowakei: Ansässigkeitsstaat ist der Staat der Geschäftsleitung der Kapitalgesellschaft). In diesem Fall wird das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt, da die ausländische Steuer angerechnet werden muss (so DBA Tschechien und Slowakei).
- Eine unbeschränkt stpfl. Körperschaft hält Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die in einem ausl. Staat ansässig ist. Mit diesem Staat besteht entweder kein DBA, oder nach dem DBA steht das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters zu. Diese Kapitalgesellschaft verlegt ihre Geschäftsleitung in einen Staat, nach dessen DBA mit Deutschland das Besteuerungsrecht aus den Anteilen dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft (Staat der Geschäftsleitung) zusteht. In diesen Fällen verliert Deutschland sein Besteuerungsrecht.
- Eine beschränkt stpfl. Körperschaft hält Anteile an einer inl. Kapitalgesellschaft, wobei mit dem Ansässigkeitsstaat des Anteilsinhabers ein DBA besteht, wonach das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Anteile dem Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft zusteht. Verlegt die inl. Kapitalgesellschaft ihre Geschäftsleitung in den ausl. Staat, in dem der Gesellschafter ansässig ist, verliert Deutschland das Besteuerungsrecht aus der beschränkten Steuerpflicht, da dann das Besteuerungsrecht dem neuen Ansässigkeitsstaat der wegziehenden Kapitalgesellschaft zusteht. Verlegt die Gesellschaft dagegen die Geschäftsleitung in einen anderen Staat, bleibt das deutsche Besteuerungsrecht bestehen. Im Verhältnis zu dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters gilt die Regelung über das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats der weggezogenen Gesellschaft nicht, da dies voraussetzt, dass die weggezogene Kapitalgesellschaft in einem der Vertragsstaaten (Deutschland bzw. Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters) ansässig ist; das ist nicht der Fall. Deutschland ist an der Besteuerung des Gesellschafters nicht gehindert. Das DBA mit dem Zuzugsstaat ist nicht anwendbar, da der Gesellschafter in diesem nicht ansässig ist. In diesem Fall bleibt die beschränkte Stpfl. des Gesellschafters nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG in Deutschland bestehen, da die wegziehende Kapitalgesellschaft weiterhin ihren Sitz in Deutschland hat, der nicht verlegt werden kann. Ggf. kann auch der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters nach seinem Recht den Gewinn aus einer späteren Veräußerung der Anteile besteuern; die dadurch eintretende Doppelbesteuerung wird nicht gemindert.
Rz. 119
Dagegen erfolgt nach Abs. 1 in folgenden Fällen keine Entstrickungsbesteuerung:
- Eine unbeschränkt stpfl. Körperschaft...