Rz. 25

Die Durchführung der Anrechnung erfolgt auf zwei Ebenen:

  • Auf der Ebene der Anrechnungskörperschaft wird die Ausschüttungsbelastung hergestellt. Dies geschieht dadurch, dass die Körperschaftsteuer für Einkommensteile, die mit mehr als 30 % Ausschüttungsbelastung belastet sind, gemindert wird (ausschüttungsbedingte Körperschaftsteuerminderung), sowie dadurch, dass die Körperschaftsteuer für Einkommensteile, die mit weniger als 30 % Ausschüttungsbelastung belastet sind (EK 02, EK 03), erhöht wird (ausschüttungsbedingte Körperschaftsteuererhöhung). Damit wird erreicht, dass alle Ausschüttungen grundsätzlich mit der gleichen Steuerbelastung vorbelastet sind, unabhängig davon, ob sie aus steuerpflichtigen oder steuerfreien Einkommensteilen finanziert werden. Auf der Ebene der Anteilseigner kann daher immer der gleiche Betrag (3/7) als steuerliche Vorbelastung angerechnet werden (zur Sonderbehandlung des EK 01 vgl. § 30 Rz. 121b, des EK 04 vgl. § 30 Rz. 190).
  • Auf der Ebene des Anteilseigners werden die Nettoausschüttung, die anrechenbare Körperschaftsteuer und die einbehaltene Kapitalertragsteuer als Einkünfte aus Kapitalvermögen erfasst und besteuert. Auf die dadurch entstehende Steuer werden nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 3/7 der Einnahmen (d. h. die Nettoausschüttung zuzüglich der einbehaltenen Kapitalertragsteuer, also die Barausschüttung; vgl. Rz. 26) sowie die einbehaltene Kapitalertragsteuer angerechnet. Übersteigen die Anrechnungsbeträge die entstehende Steuer, wird der überschießende Betrag dem Anteilseigner vergütet (vgl. zur Anrechnung auf der Ebene des Anteilsinhabers Seemann, in Frotscher, EStG, § 36 Rz. 97ff.).
  • Als Bindeglied zwischen der Ebene der Anrechnungskörperschaft und der Ebene des Anteilseigners dient die Steuerbescheinigung nach § 44, die alle für die Anrechnung auf der Ebene des Anteilseigners erforderlichen Daten enthält (vgl. § 44 Rz. 12ff.). Die Anrechnung auf der Ebene des Anteilseigners hängt davon ab, dass der Anteilseigner die Steuerbescheinigung vorlegt. Kann er dies nicht, wird die Körperschaftsteuer nicht angerechnet; gleichzeitig gehört die anrechenbare Körperschaftsteuer aber auch nicht zu den steuerpflichtigen Einkünften. Wird die Bescheinigung nachträglich vorgelegt, kann die Körperschaftsteuer angerechnet werden; gleichzeitig ist aber auch der Einkommensteuerbescheid zu ändern und die anzurechnende Körperschaftsteuer durch Änderung des Steuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO (vgl. Frotscher, in Schwarz, AO, § 175 Rz. 67) in die steuerpflichtigen Einkünfte einzubeziehen.
 

Rz. 26

Auf der Ebene der anrechnungsberechtigten Anteilseigner hat das Anrechnungsverfahren seit dem Vz 1994 folgende Wirkungen (ohne Solidaritätszuschlag):

 
  ab Vz 1994
Gewinn vor Körperschaftsteuer 100
abzgl. Ausschüttungsbelastung 30
Barausschüttung 70
abzgl. Kapitalertragsteuer 25 % 17,5
Nettoausschüttung 52,5
vom Anteilseigner zu versteuern:  
Nettoausschüttung 52,5
zzgl. Kapitalertragsteuer 17,5
Barausschüttung 70
zzgl. anzurechnende Körperschaftsteuer 30
zu versteuernde Kapitaleinkünfte 100
Steuer hierauf (angenommen: 53 %) 53
abzgl. anzurechnende Körperschaftsteuer 30
abzgl. Kapitalertragsteuer 17,5
vom Anteilseigner zu zahlende Steuer 5,5

Hieraus folgt, dass lediglich Anteilseigner, deren Spitzensteuersatz über 47,5 % liegt, eine Nachzahlung zu leisten haben. Soweit der Spitzensteuersatz unter den genannten Steuersätzen liegt, erfolgt eine Erstattung bzw. Verrechnung mit der Steuer auf andere Einkommensteile.

 

Rz. 27

Die Anrechnung der Körperschaftsteuer hängt zwingend davon ab, dass das Anrechnungsguthaben als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG erfasst worden ist. Die Erfassung des Anrechnungsguthabens und die Anrechnung bedingen einander. Weder kann eine Anrechnung erfolgen, wenn das Anrechnungsguthaben nicht als Einnahmen erfasst worden ist, noch kann das Anrechnungsguthaben als Einnahme erfasst werden, wenn die Anrechnung trotz grundsätzlichen Bestehens der Anrechnungsberechtigung nicht erfolgen kann[1].

Sind Kapitaleinkünfte nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG erfasst und ist daher die Anrechnung nicht gewährt worden, wird Rechtsschutz durch Anfechtung des Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerbescheids gewährt, in dem die Einnahmen hätten erfasst werden müssen. Vorläufiger Rechtsschutz wird entsprechend durch Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerbescheids gewährt. Folge der Aussetzung der Vollziehung ist, dass die Einnahmen vorläufig angesetzt und entsprechend das Körperschaftsteuerguthaben vorläufig angerechnet wird[2].

 

Rz. 28

Die Anrechnung auf der Ebene des Anteilseigners ist unabhängig von der tatsächlichen Zahlung der Körperschaftsteuer auf der Ebene der Körperschaft. Eine Ausnahme davon besteht nach § 36a EStG nur für Anteilseigner mit beherrschendem Einfluss auf die ausschüttende Körperschaft. Hat die Körperschaft die Körperschaftsteuer (Ausschüttungsbelastung) nicht bezahlt und ist wegen des Beginns der Vollstreckung anzunehmen, dass ...

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