Rz. 142

Besondere Fragen treten auf in Fällen nicht oder verspätet abgeflossener verdeckter Gewinnausschüttungen. Bei diesen Konstellationen fallen das Wirtschaftsjahr der Einkommenszurechnung und das Wirtschaftsjahr des Abflusses auseinander. Typisch ist diese Konstellation bei steuerlich unzulässigen Rückstellungen für (beherrschende) Gesellschafter-Geschäftsführer, z. B. für Tantieme- oder Pensionsrückstellungen.

 
Praxis-Beispiel

Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr

In der Bilanz zum 31.12.01 wird eine Tantiemerückstellung für einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer gebildet; eine Tantiemevereinbarung besteht nicht. Die Gewinnminderung ist daher steuerlich nicht anzuerkennen (Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot). Die Tantieme wird im Laufe des Jahres 02 ausgezahlt. Die Gewinnminderung ist bei der Einkommensermittlung des Jahres 01 durch eine Hinzurechnung auszugleichen (vgl. § 8 Abs. 3). Die ausschüttungsbedingte Änderung der Körperschaftsteuer ist dem Veranlagungszeitraum 02 (Wirtschaftsjahr des Abflusses) zuzuordnen (vgl. § 27 Abs. 3 S. 2).

 

Rz. 143

Bei verspätet abfließenden verdeckten Gewinnausschüttungen fallen das Jahr der Einkommenskorrektur (und damit das Jahr der Versteuerung der verdeckten Gewinnausschüttung mit der Tarifbelastung) und das Jahr der ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderung auseinander. Dies beruht auf dem Grundsatz, dass sich die Zuordnung der ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen nach dem Zeitpunkt des Abflusses bei der Körperschaft richten (vgl. Rz. 88). Diese Situation tritt immer ein, wenn der Aufwand aus einer verdeckten Gewinnausschüttung zunächst in eine Rückstellung (insbesondere Tantieme- oder Pensionsrückstellung) eingestellt wird.

 

Rz. 144

Das Abstellen auf den Abflusszeitpunkt im Anrechnungsverfahren bei der verspätet abgeflossenen verdeckten Gewinnausschüttung hat folgende Konsequenz: Ist eine verdeckte Gewinnausschüttung bei der Ermittlung des Einkommens der Körperschaft gemäß § 8 Abs. 3 hinzugerechnet worden, hat sie zwangsläufig den einkommensbedingten Zugang zu den Teilbeträgen des verwendbaren Eigenkapitals erhöht. Eine ausschüttungsbedingte Minderung oder Erhöhung der Körperschaftsteuer kann jedoch so lange nicht vorgenommen werden, wie die Verpflichtung der Körperschaft gegenüber dem Anteilseigner aus der verdeckten Gewinnausschüttung als Schuld oder Verbindlichkeit passiviert, aber bei der Kapitalgesellschaft noch nicht abgeflossen ist. Auch ein ausschüttungsbedingter Abgang im verwendbaren Eigenkapital kann erst nach dem Abfließen der verdeckten Gewinnausschüttung bei der Kapitalgesellschaft berücksichtigt werden (vgl. § 30 Rz. 211). In der Handelsbilanz und daher nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz ist der Betrag der verdeckten Gewinnausschüttung jedoch als Rückstellung, nicht als Eigenkapital auszuweisen. Der Gesellschafter ist im Verhältnis zu der Kapitalgesellschaft eine dritte Person, gegenüber der eine zivilrechtlich bindende Verpflichtung besteht; das ist in der Bilanz durch eine Rückstellung zu berücksichtigen (vgl. Anh. vGA zu § 8, Rz. 212ff.).

Das verwendbare Eigenkapital der Gliederungsrechnung übersteigt deshalb in dem Zeitraum zwischen der Hinzurechnung der verdeckten Gewinnausschüttung bei der Einkommensermittlung und dem ausschüttungsbedingten Abgang im verwendbaren Eigenkapital bei Abfluss das Eigenkapital der Steuerbilanz. Dieses Abweichen der Gliederungsrechnung von der Steuerbilanz ist m. E. durch § 29 Abs. 1 gedeckt. Danach ist Eigenkapital das in der Steuerbilanz ausgewiesene Betriebsvermögen ohne Verringerung um die Ausschüttungen. Hierunter sind auch verdeckte Gewinnausschüttungen zu verstehen; verwendbares Eigenkapital ist danach das Eigenkapital der Steuerbilanz zuzüglich in der Steuerbilanz kapitalmindernd behandelte Ausschüttungen (vgl. eingehend § 29 Rz. 34f.). Bei dieser Auslegung des § 29 Abs. 1 bedarf es keiner Anpassung der Gliederungsrechnung durch Einstellung einer negativen "Anpassungsdifferenz" im EK 02, die bei der Hinzurechnung der verdeckten Gewinnausschüttung gemäß § 8 Abs. 3 zu bilden und im Zeitpunkt des Abfließens der verdeckten Gewinnausschüttung aufzulösen wäre (vgl. § 30 Rz. 143).

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