Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 9
Abs. 2 regelt, mit welchem verwendbaren Eigenkapital die Ausschüttungen zu verrechnen sind. Der Regelungsgehalt der Vorschrift ist nicht klar. Eindeutig ist lediglich, dass die Verrechnung in zeitlicher Hinsicht geregelt, also die Frage, das zum Ende welchen Wirtschaftsjahres ermittelte Eigenkapital durch die Ausschüttung angesprochen wird. Die sachliche Abgrenzung, d. h. welcher Eigenkapitalanteil im Einzelnen für die Ausschüttung verwendet wird, wird in Abs. 3 (Verwendungsreihenfolge) geregelt.
Rz. 10
Die Verwendung des Begriffes "Verrechnung" deutet darauf hin, dass die Vorschrift regeln will, welches Eigenkapital für die Ausschüttung verwendet wird, also welches Eigenkapital in zeitlicher Hinsicht durch die Ausschüttung gemindert wird. Allgemein wird die Vorschrift aber anders verstanden; die Minderung des verwendbaren Eigenkapitals wird nicht nach Abs. 2 bestimmt, sondern nach dem Abfluss (vgl. § 30 Rz. 204). Nach dieser Ansicht hat Abs. 2 Bedeutung nur für die Frage, auf der Grundlage welchen verwendbaren Eigenkapitals (in zeitlicher Hinsicht) die ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen zu ermitteln sind (vgl. Rz. 13).
Die Auslegung, dass Abs. 2 nur für die Ermittlung der ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen gilt, findet ihre Stütze in der Formulierung der Vorgängervorschrift. Diese Vorschrift formulierte, dass verwendbares Eigenkapital dasjenige sei, das sich zum Schluss eines bestimmten Wirtschaftsjahres ergebe. Nach der Begründung sollte damit festgelegt werden, welches verwendbare Eigenkapital für die Ausschüttung zur Verfügung stehe und so eine sichere Berechnungsbasis für die ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen geschaffen werden. Der Begriff des "Verrechnens" ist erst durch die Neufassung und Einfügung des Abs. 2 in § 28 in das Gesetz gekommen. Die Neuregelung sollte aber den Wirkungskreis der Vorschrift nicht erweitern, sondern nur die zeitliche Zuordnung der "anderen Ausschüttungen" ändern; die Gesetzesfassung muss daher als missglückt angesehen werden. Aus dieser Entwicklung der Vorschrift kann aber abgeleitet werden, dass Abs. 2 nur für die Ermittlung der ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen gelten soll, nicht für die zeitliche Zuordnung der ausschüttungsbedingten Abgänge.
Rz. 11
Abs. 2 ist in engem Zusammenhang mit § 27 Abs. 3 zu sehen (vgl. auch § 27 Rz. 128ff.). Beide Vorschriften enthalten eine zeitliche Zuordnung. § 28 Abs. 2 regelt, aus welchem verwendbaren Eigenkapital in zeitlicher Hinsicht die ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen abzuleiten sind; § 27 Abs. 3 regelt dagegen, welchem Veranlagungszeitraum diese Körperschaftsteueränderungen zuzuordnen sind.
Beide Vorschriften sind gleich aufgebaut, indem sie in S. 1 die zeitliche Zuordnung derjenigen Ausschüttungen regeln, die auf einem ordnungsgemäßen Gewinnverteilungsbeschluss für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr beruhen, in S. 2 dagegen die zeitliche Zuordnung der anderen Ausschüttungen. Insoweit knüpfen beide Vorschriften an die gleichen Tatbestandsmerkmale an. Die Zuordnungskriterien sind jedoch unterschiedlich, sodass die Ergebnisse der zeitlichen Zuordnungen nach den beiden Vorschriften nicht notwendig übereinstimmen.