Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 24
§ 33 Abs. 3 enthielt bis 1993 (vgl. Rz. 23) eine Sonderregelung für die Fälle, in denen für das Rücktragsjahr die Ausschüttungsbelastung herzustellen war, d. h. für Fälle, in denen für das Rücktragsjahr Ausschüttungen vorgenommen wurden.
Diese Vorschrift war in engem Zusammenhang mit § 8 Abs. 4 (Abs. 5 n. F.) zu sehen. Nach dieser Vorschrift war der Verlustrücktrag nur insoweit vorzunehmen, als für das Rücktragsjahr keine Ausschüttungen vorgenommen wurden. Soweit Beträge ausgeschüttet worden waren, darf der Verlustrücktrag das Einkommen in Höhe dieser Ausschüttungen zuzüglich der hierauf ruhenden Ausschüttungsbelastung nicht mindern. Der Grund dieser Regelung liegt im Prinzip der Anrechnung der Ausschüttungsbelastung bei dem Anteilsinhaber. Da dieser einen Betrag (zur damaligen Zeit) in Höhe von 9/16 (= 36/64) der Bardividende (= 36 % der Bruttodividende) als Anrechnungsguthaben erhält, mußte sichergestellt sein, daß die Körperschaft diesen Betrag auch tatsächlich an das Finanzamt abführte. Wäre die Zulässigkeit des Verlustrücktrages nicht eingeschränkt, so würde entweder auch die Ausschüttung unbelastet, d. h. ohne Ausschüttungsbelastung, erfolgen und der Anteilsinhaber die Steuergutschrift zu Unrecht erhalten, oder es müßte trotz des Verlustrücktrages entsprechend § 35 die Ausschüttungsbelastung für die Ausschüttung hergestellt werden; dann wäre der Verlust durch den Verlustrücktrag verbraucht, ohne daß bei der Körperschaft eine Entlastung eingetreten wäre.
§ 8 Abs. 4 (Abs. 5 n. F.) gestattet den Verlustrücktrag, soweit das Einkommen des Rücktragsjahres die Ausschüttung zuzüglich Ausschüttungsbelastung übersteigt. Durch den Verlustrücktrag darf also die Ausschüttung nicht entlastet werden; entlastet werden dagegen alle anderen im Einkommen enthaltenen Beträge, also nicht ausgeschüttete Gewinne sowie nicht abzugsfähige Ausgaben.
Rz. 24a
§ 8 Abs. 4 (Abs. 5 n. F.) beruhte auf der Fiktion, daß, wenn im Abzugsjahr Ausschüttungen vorgenommen wurden, diese Ausschüttungen aus den im Abzugsjahr erzielten Gewinnen stammen; nur, wenn man dies unterstellt, tritt die geschilderte Problematik auf. Hiermit kollidiert jedoch § 28 Abs. 2, wonach das gesamte verwendbare Eigenkapital, unabhängig davon, in welchem Jahr es entstanden ist, für die Ausschüttungen des Rücktragsjahres zur Verfügung steht. Da es sich bei § 8 Abs. 4 (Abs. 5 n. F.) jedoch um eine zwingende Regelung handelte, griff sie auch ein, wenn genügend voll belastetes verwendbares Eigenkapital für die Ausschüttungen zur Verfügung steht, also auch in Fällen, in denen der Verlustabzug voll zur Geltung kommen könnte, ohne daß die geschilderte Problematik eingriffe (z. B.: Die Ausschüttung wird voll aus aufgelösten versteuerten Rücklagen oder Gewinnvorträgen finanziert). In diesen Fällen wird die Körperschaft durch § 8 Abs. 4 (Abs. 5 n. F.) benachteiligt, weil die Steuerentlastung durch den Verlust in die nächsten Jahre verschoben wird (Verlustvortrag) oder sogar verlorengeht, wenn der Verlust innerhalb des 5-Jahres-Zeitraums nicht ausgenutzt werden kann.
Die Wirkungen des § 8 Abs. 4 (Abs. 5 n. F.) gingen auch in dem Fall über den Gesetzeszweck hinaus, in dem auch ohne Verlustrücktrag die Ausschüttung nicht aus belastetem Eigenkapital finanziert werden könnte. Dann würde durch den Verlustrücktrag keine Änderung in der Ausschüttungsfinanzierung eintreten; die Einschränkung des Verlustrücktrages und seiner Entlastungswirkung wäre nach dem Gesetzeszweck also nicht erforderlich (zur Kritik des § 8 Abs. 4 (Abs. 5 n. F.) vgl. Herzig, GmbH-R 1978, 133; vgl. auch Courage/Hutmacher, BB 1981, 902, 905; Orth, JbFSt 1984/85, 335; Reiß, DB 1987, 451).
Rz. 25
Mit der Regelung des § 8 Abs. 4 waren aber noch nicht alle Probleme des Zusammentreffens von Verlustrücktrag und Ausschüttung gelöst. Neben der (materiellen) Frage der Steuerberechnung, die § 8 Abs. 4 regelt, ist auch die (mehr formelle) Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals von erheblicher Bedeutung. In Höhe des Verlustrücktrages werden die Zugänge des Rücktragsjahres aus dem belasteten EK in das EK 02 umgegliedert (vgl. Rz. 15). Hiervon wird das verwendbare Eigenkapital am Ende des Rücktragsjahres erfaßt, während die Abgänge durch die Ausschüttung erst im verwendbaren Eigenkapital des Folgejahres berücksichtigt werden. Dies konnte zu Schwierigkeiten bei Berücksichtigung der nicht abzugsfähigen Ausgaben in der Gliederungsrechnung führen. § 8 Abs. 4 hatte in die Berechnung des Höchstbetrags des Verlustrücktrags die nicht abzugsfähigen Ausgaben nicht einbezogen; deren Abzug konnte zu einer Minderung des belasteten Eigenkapitals führen. Das müßte aber zur Folge haben, daß sich die Art der Finanzierung der Ausschüttung ändert, so daß etwa die Ausschüttung nicht mehr aus dem
EK 56, sondern dem EK 36 oder dem EK 0 zu entnehmen wäre; damit würde sich durch die Minderungen und Erhöhungen der Körperschaftsteuer die Steuerbelastung ändern. Der Verlustrücktrag hätte dann u. U. nicht zur vollen Entlastung der nicht abzugsfähigen...