Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 29
Die Beschränkung des Verlustrücktrags nach § 8 Abs. 4 und das Festschreiben der Verwendungsreihenfolge nach § 33 Abs. 3 gilt jeweils nur für dasjenige Abzugsjahr, für das die Ausschüttungsbelastung herzustellen ist (vgl. Rz. 23). Diese Regelung, die verhindern soll, daß der Verlustrücktrag nicht zu einer Entlastung von Körperschaftsteuer führt, weil Ausschüttungen vorgenommen wurden und der Verlustrücktrag zu einer Störung der Verwendungsreihenfolge führen würde (vgl. Rz. 24), ist auf den einjährigen Verlustrücktrag zugeschnitten. Beim einjährigen Verlustrücktrag gibt es nur ein Abzugsjahr und ein Ausschüttungsjahr, das Abzugsjahr ist immer auch das Ausschüttungsjahr, so daß Beschränkung des Verlustrücktrags und Festschreibung der Ausschüttungsreihenfolge für dieses Jahr (Ausschüttungs- und Abzugsjahr) eingreifen und damit eine Störung der Verwendungsreihenfolge zwingend vermeiden.
Anders ist es jedoch beim zweijährigen Verlustrücktrag. Wird für das unmittelbar dem Verlustjahr vorhergehende Jahr eine Gewinnausschüttung beschlossen, erfolgt der Verlustrücktrag aber (nur) in das zweite dem Verlustjahr vorangehenden Jahr, fallen Abzugsjahr und Ausschüttungsjahr auseinander. Für das Abzugsjahr sind §§ 8 Abs. 4, 33 Abs. 3 nicht anwendbar, weil für dieses Jahr keine Ausschüttungen vorgenommen worden sind, der Verlustrücktrag ist also in vollem Umfang möglich. Auf das Ausschüttungsjahr sind §§ 8 Abs. 4, 33 Abs. 3 nicht anwendbar, weil für dieses Jahr kein Verlustabzug vorgenommen wurde. Beschränkung des Verlustrücktrags und Festschreiben der Ausschüttungsreihenfolge finden daher nach dem Wortlaut der §§ 8 Abs. 4, 33 Abs. 3 nicht statt. Durch den Verlustrücktrag in das zweite vor dem Verlustjahr liegende Jahr kann aber die Ausschüttungsreihenfolge für das vor dem Verlustjahr liegende Jahr (Ausschüttungsjahr) gestört werden.
Rz. 30
Das Problem besteht darin, daß durch den Verlustrücktrag auf das zweite Jahr vor dem Verlustjahr EK 56 in EK 02 umgegliedert wird, während andererseits der Ausschüttungsbeschluß auf Grund der ursprünglichen Gliederungsrechnung am Ende des dem Verlustjahr unmittelbar vorhergehenden Jahres gefaßt worden ist. Die Gliederungsrechnung dieses dem Verlustjahr unmittelbar vorhergehenden Jahres wird aber durch den Verlustrücktrag verändert, da sich der Anfangsbestand durch den Verlustrücktrag in das zweite dem Verlustjahr vorhergehende Jahr verändert (vgl. Rz. 20). Damit kann der Ausschüttung für das dem Verlustjahr unmittelbar vorhergehende Jahr die Grundlage entzogen werden mit der Folge, daß die Ausschüttung nicht mehr aus belastetem Eigenkapital, sondern dem unbelasteten Eigenkapital oder gemäß § 35 zu finanzieren ist. Der Grund hierfür liegt darin, daß § 33
Abs. 3 nur die Ausschüttungsreihenfolge für das Abzugsjahr unberührt läßt, nicht die für das Folgejahr.
Rz. 31
Diese unbefriedigende Situation, daß der Verlustrücktrag die Ausschüttungsfinanzierung zerstört, trat in folgenden Fällen ein:
- Es wird für das dem Verlustjahr vorangehende Jahr eine Gewinnausschüttung beschlossen, für die mehr belastetes EK benötigt wird, als in diesem Jahr durch das Einkommen hinzukommt, d. h., es soll belastetes EK der Vorjahre ausgeschüttet werden.
- Es wird in dem dem Verlustjahr vorangehenden Jahr eine verdeckte Gewinnausschüttung, Vorabausschüttung oder eine verunglückte offene Ausschüttung vorgenommen; entsprechendes gilt für sonstige Leistungen i.S.d. § 41.
- Es wird nach dem Abzugsjahr eine offene Gewinnausschüttung für ein Jahr vor dem Abzugsjahr beschlossen (z. B. Abzugsjahr ist das Jahr 02; es wird in 03 für 01 eine Gewinnausschüttung beschlossen; wegen § 28 Abs. 3 ist für die Finanzierung der Ausschüttung das EK zum 31.12.02, dem Abzugsjahr, maßgebend, das durch den Verlustrücktrag beeinträchtigt wird); dieser Fall ist auch beim einjährigen Verlustrücktrag denkbar.
Dagegen tritt eine Störung der Ausschüttungsfinanzierung bei folgenden Voraussetzungen nicht ein, so daß die geschilderte Problematik entfällt:
- es ist so viel belastetes EK aus den Vorjahren vorhanden, daß die Ausschüttungsfinanzierung durch den Verlustrücktrag nicht beeinträchtigt wird;
- wenn und soweit auch schon ohne Verlustrücktrag die Ausschüttung aus dem nicht belasteten EK oder nach § 35 erfolgen mußte;
- wenn eine Gewinnausschüttung für das zweite Jahr vor dem Verlustjahr beschlossen wurde, der Verlust aber nur auf das erste Jahr vor dem Verlustjahr zurückgetragen werden konnte.
Rz. 32
Zur Lösung der beschriebenen Probleme hatte die Verwaltung in Abschn. 89a KStR angeordnet, daß der Höchstbetrag des Verlustrücktrags nach § 8 Abs. 4 sowie die Festschreibung der Ausschüttungsbelastung nach § 33 Abs. 3 zusammengefaßt für die beiden dem Verlustjahr vorangehenden Jahre zu berechnen sind.
Der höchstzulässige Verlustrücktrag errechnet sich danach also nach folgender Formel:
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Summe Einkommen Rücktragsjahre 1 und 2 |
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./. |
Summe der Ausschüttungen für die Rücktragsjahre |
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(einschließlich Ausschüttungsbelastung) |
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= |
höchstmöglicher Verlust... |