Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 70
"Eigenkapital" ist nicht das gezeichnete Kapital, sondern das gesamte Kapital, das der Anrechnungskörperschaft tatsächlich als eigenes zur Verfügung steht. Die Höhe des Eigenkapitals richtet sich nach der Handelsbilanz; Erhöhungen oder Minderungen, die nur in der Steuerbilanz auszuweisen sind, verändern das Eigenkapital daher nicht. Maßgebend ist nicht die tatsächlich aufgestellte Handelsbilanz, sondern diejenige Handelsbilanz, die nach den Vorschriften des HGB aufzustellen war.
Das Eigenkapital in diesem Sinne besteht aus folgenden Elementen:
- gezeichnetes Kapital, § 272 Abs. 1 HGB, abzüglich ausstehender Einlagen (sowohl der eingeforderten als auch der nicht eingeforderten Einlagen); ausstehende Einlagen stehen der Kapitalgesellschaft (noch) nicht als eigenes Kapital zur Verfügung, sind also bei der Prüfung auszuscheiden, ob die Gesellschaft unangemessen hoch mit Gesellschafter-Fremdkapital finanziert worden ist; auf eine noch nicht wirksame Kapitalerhöhung eingezahlte Beträge erhöhen das Eigenkapital erst mit Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister;
- zuzüglich der Kapitalrücklage, § 272 Abs. 2 HGB; zum Eigenkapital gehören alle Kapitalrücklagen, ohne Rücksicht darauf, ob sie für Ausschüttungen verwendbar sind;
- zuzüglich der Gewinnrücklagen, § 272 Abs. 3 HGB, und zwar sowohl der freien als auch der gesetzlichen Rücklagen;
- zuzüglich eines Gewinnvortrags;
- zuzüglich eines Jahresüberschusses;
- zuzüglich der Hälfte eines Sonderpostens mit Rücklageanteil (§§ 247 Abs. 3, 273 HGB); Sonderposten sind noch nicht versteuerte Rücklagen, die demnach einen Rücklageanteil und einen Steueranteil enthalten; der Rücklageanteil soll dem Eigenkapital hinzugerechnet werden; zu diesem Zweck wird der Steueranteil pauschal mit 50 % berechnet. Die Posten, die nach § 281 HGB bei Auseinanderfallen von handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Abschreibungen zu bilden sind, fallen ebenfalls hierunter;
- abzüglich Verlustvortrag und Jahresfehlbetrag; diese Positionen stellen Verlust an Eigenkapital dar und sind daher abzuziehen; um ständige Veränderungen der Rechtsfolge (steuerliche Anerkennung oder Nichtanerkennung der Vergütungen) zu vermeiden, werden kurzfristige Verluste nicht abgezogen; vgl. hierzu Rz. 72. Bemerkenswert ist, daß Verluste den Spielraum für Gesellschafter-Fremdfinanzierungen verringern; die Behebung finanzieller Krisen und Sanierungen durch Gesellschafter-Darlehen oder Fremddarlehen mit Bürgschaft durch den Anteilseigner werden erschwert bzw. durch die Steuerbelastung verteuert. Der wirtschaftspolitische Sinn dieser Effekte kann kaum nachvollzogen werden.
Andere Positionen, auch wenn sie handelsrechtlich Eigenkapitalcharakter haben können, fallen nicht unter den Begriff des Eigenkapitals i.S.d. § 8a.
Zu Eigenkapital i.S.d. § 8a soll aber die Aktivierung von Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs nach § 269 Abs. 1 HGB führen. Das ist m. E. unrichtig. Diese Bilanzierungshilfe kann nicht zu Eigenkapital führen, und zwar auch handelsrechtlich nicht, wie die Ausschüttungssperre in § 269 S. 2 HGB zeigt.
Eine Rücklage für eigene Anteile, § 272 Abs. 4 HGB, gehört nicht zum Eigenkapital. Die Rücklage ist ihrem Wesen nach weder eine Gewinn- noch eine Kapitalrücklage, fällt also nicht unter die Definition des § 8a Abs. 2. Die Rücklage enthält auch materiell kein Eigenkapital, sondern soll den aktivierten Wert der eigenen Anteile neutralisieren, um den Ausweis eines Gewinns (und damit von Eigenkapital) und dessen Ausschüttung zu verhindern. Die Rücklage für eigene Anteile repräsentiert also kein Eigenkapital, sondern soll gerade den Ausweis von Eigenkapital wegen des zweifelhaften Werts der eigenen Anteile verhindern; sie hat eher den Charakter einer Wertberichtigung.